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SPD-Landeschef Dieter Reinken |
Herbe Verluste und Gewinne, Pläne für Opposition und Regierung: Jetzt müssen sie nach der Wahl Stellung beziehen, die Spitzenkandidaten der sechs großen, in der Bürgerschaft vertretenen Parteien. Hier die Kurzinterviews, die der Weser Report mit ihnen führte – mit allen, bis auf einen.
Nicht mobilisiert – Dieter Reinken von der SPD
Nach der Rückzugserklärung von Bürgermeister Jens Böhrnsen laufen bei der SPD jetzt alle Fäden bei Landeschef Dieter Reinken zusammen. Er antwortet auf unsere Fragen:
Bei der Wahl haben CDU wie FDP zulegen können. Mehr Stimmen gingen offensichtlich ins bürgerliche Lager. Muss die SPD nicht jetzt auch ein bürgerliches Publikum stärker ansprechen?
Ich bin überzeugt, dass CDU und FDP insbesondere deshalb dazugewonnen haben, weil der SPD nicht hinreichend die Mobilisierung ihrer Wählerinnen und Wähler gelungen ist. Daran müssen wir arbeiten.
Was sagen Sie Wählern, die gezielt Jens Böhrnsen gewählt haben? Sie könnten jetzt enttäuscht sein?
Ihre Enttäuschung kann ich gut verstehen. Aber Jens Böhrnsen hat diese Entscheidung für sich getroffen. Die SPD ist ihm für seine Arbeit für die Stadt und das Land Bremen sehr dankbar. Er möchte der SPD mit seinem Rückzug die Möglichkeit eines personellen Neuanfangs geben, dafür verdient er unseren Respekt.
Welche persönlichen Lehren ziehen Sie aus dem Ergebnis?
Wir müssen die Probleme lösen! Beispielsweise bei der Frage des Ausfalls von Unterricht an unseren Schulen. Hierzu bedarf es eines Aktionsplans mit konkreten Punkten. (flo)
Zweitstärkste Kraft – Elisabeth Motschmann von der CDU
Wie steht die Chance für eine große Koalition?
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Elisabeth Motschmann im Gespräch |
Wir haben schon von Beginn des Wahlkampfes gesagt, dass wir für eine Regierungsbeteiligung zur Verfügung stehen. Dieses Angebot gilt auch heute, die CDU ist mit Abstand zweitstärkste Partei. Und die Wählerinnen und Wähler haben ihre Unzufriedenheit mit der rot-grünen Regierung durch ihr Wahlverhalten klar zum Ausdruck gebracht. Ein Weiter so von SPD und Grünen kann es deswegen nicht geben. Klar ist aber auch: Wir werden uns nicht anbiedern. Wir gehen nur in eine Regierung, wenn wir auch etwas ändern können für unsere Stadt. Der Rücktritt Böhrnsens ergibt insofern eine neue Situation, als dass die SPD sich nun erstmal sortieren muss. Das warten wir ab.
Was machen Sie, wenn die CDU in die Opposition geht?
Sie haben dazugewonnen – aber ist der Erfolg wirklich groß genug?
Ich bin sehr zufrieden. Die ganze Partei hat am Sonntag fröhlich gefeiert. Wir haben unsere Wahlziele erreicht und das bürgerliche Lager insgesamt ist gestärkt worden. Die Wahlanalyse macht deutlich, dass uns in wichtigen Kompetenzfeldern wie Finanzen oder Bildung die Menschen uns am meisten zutrauen. Das freut mich sehr, weil es zeigt, dass wir mit unseren Ideen und Positionen überzeugen. (flo)
Über Bundesniveau – Karoline Linnert von den Grünen
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Karoline Linnert (Grüne) |
Dass Jens Böhrnsen zurückgetreten sei, sei sehr schade. Sie habe gerne mit ihm zusammengearbeitet und respektiere diesen Schritt, sagt Bürgermeisterin und Finanzsenatorin Karoline Linnert. Nach einer Sitzung ihres Landesvorstandes haben sich die Grünen für eine Weiterführung der Koalition ausgesprochen.
Warum möchten Sie nach einem so schlechten Ergebnis weiter machen?
Mit dem Ergebnis liegen wir deutlich über dem Bundesniveau und es ist bei Bürgerschaftswahlen das drittbeste überhaupt für die Grünen. Es gibt eine Mehrheit für Rot-Grün. Diesen Wählerauftrag möchte ich umsetzen.
War das Ergebnis nur der Fukushima-Effekt, oder die Quittung für die (rot-)-grüne Politik?
Es gibt nie nur einen Grund. Die Grünen werden das Ergebnis jetzt gründlich analysieren.
Welche politischen Schwerpunkt werden sich die Grünen für die kommende Legislatur setzen.
Wie vor der Wahl versprochen, wollen wir weiter gegen die soziale Spaltung angehen: Mit mehr Krippen- und Kitaplätzen, mehr Ganztagsschulen, Sprachförderung und sozialem Wohnungsbau. Ökologische Politik steht für die Grünen weiter im Zentrum der Politik, dazu gehört unter anderem der Klimaschutz und gesunde Ernährung aus der Region. (ak)
Konstruktive Opposition – Kristina Vogt von der Linken
Sind sie beleidigt, dass man Sie so schnell aus einer möglichen Koalition ausgeschlossen hat?
Erst einmal Vorweg: Wer in der Politik beleidigt ist, hat da nichts zu suchen. Rot-Grün ist vor acht Jahren angetreten mit dem Versprechen, die soziale Schieflage und die Armut in Bremen und Bremerhaven bekämpfen zu wollen. Die Wählerinnen und Wähler trauen beiden Parteien genau dies aber nicht mehr zu. Wir von den Linken haben in diesem Bereich deutlich zugelegt, von daher wäre es konsequent gewesen, wenigstens mal mit uns zu reden. Auf der anderen Seite sind wir aber nicht bereit, nur für den Machterhalt von SPD und Grünen in eine Koalition zu gehen. Wir erwarten natürlich einen Politikwechsel.
Woher kommt der große Stimmzugewinn für die Linke?
Wir haben Stimmen sowohl von der SPD als auch sehr viele von den Grünen bekommen. In den letzten vier Jahren waren wir eine konstruktive Opposition und haben Probleme der Menschen, die von der Politik des Senats betroffen waren, ernst genommen und in die Bürgerschaft getragen. Wir waren sehr genau und haben immer gründlich gearbeitet. Manches konnten wir dadurch zum Besseren verändern. In Bremen wünschen sich inzwischen viele, dass wir mehr zu sagen hätten. (hh)
Politik anders gestalten – Lencke Steiner von der FDP
Wäre so ein Wahlergebnis auch ohne den Hamburger Rückenwind von Katja Suding möglich gewesen?
Bremen ist nicht Hamburg. Wir haben hier durch 70 Jahre SPD-geführter Senate einen extremen Grad an politischer Verkrustung – der jetzt offensichtlich aufbricht, wie der Rücktritt von Herrn Böhrnsen zeigt. Was wir aber in der Tat aus Hamburg mitgenommen haben, ist der positive Schwung, Politik in Zukunft anders zu gestalten und wieder die Menschen in den Vordergrund zu stellen, nicht Institutionen.Die FDP-Wählerinnen und Wähler haben uns zu über 60 % wegen unserer Inhalte gewählt, so die Wahlanalysen. Wir lagen also mit unseren Themen Armutsbekämpfung, Bildung und Wirtschaft genau richtig.
Werden sie neben Unternehmertum und TV genügend Zeit für den Fraktionsvorsitz finden?
Meine Arbeit für die Wirtschafts-Show „Die Höhle der Löwen“ bei Vox ist ja mit dem Abdrehen der Staffel im April beendet. Die Arbeit für den Verband der jungen Unternehmer endet turnusmäßig im Spätsommer. Um es mit einem Augenzwinkern zu sagen: Die Bürgerschaft muss mindestens vier Jahre mit einer FDP-Fraktionsvorsitzenden Lencke Steiner und ihren vielleicht manchmal unkonventionellen Ideen leben! Ich setze sowohl als Unternehmerin, wie auch als Fraktionsvorsitzende auf Teamarbeit.(hh)
Umgang mit Steuergeld – Christian Schäfer von der AfD
Was muss und kann sich in Bremen ändern?
Die Eigenständigkeit Bremens ist ein Privileg, aber auch eine Verantwortung. Nur wenn wir lernen, mit unseren Handlungsspielräumen verantwortlich umzugehen, werden wir dauerhaft erfolgreich sein. Wenn wir einen Neuanfang wagen, wird das positive Auswirkungen auf all‘ die Altlasten rot-grüner Politik haben, von der Bildung bis hin zur inneren Sicherheit.
Was wollen Sie gegen den Euro in der Bürgerschaft tun?
Wir wenden uns weniger gegen den Euro selbst, der sicherlich als Währung schlecht konstruiert ist, als gegen die ausufernden Rettungspakete, die einen verantwortunglosen Umgang mit Steuergeldern darstellen. In der Bürgerschaft werden wir zwar nicht direkt mit Währungsfragen befasst sein, aber wir sind auch hier mit den Folgen dieser verfehlten Rettungspolitik konfrontiert: Die schleichende Enteignung der Sparer und der Verlust von Kaufkraft bei Renten, bei der privaten Altersvorsorge, wird auch den Sozialetat belasten.
Wie wollen Sie die Flügel Ihrer Partei zusammenhalten?
Wir müssen vermeiden, persönliche Konflikte auf einer politischen Ebene zu überhöhen. Einer Beeinflussung durch einen politischen Rand müssen wir entgegentreten. Derzeit läuft ein Mitgliederentscheid, der genau diese Abgrenzung zum Ziel hat. (flo)