Flüchtlinge in Bremen: „Black Box“ Alterseinschätzung

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Um die Zahl neuer, junger Flüchtlinge zu bewältigen, soll die Bremer Sozialsenatorin jetzt zu fragwürdigen Methoden greifen.

Allein in diesem Jahr werden bis zu 1.000 weitere, unbegleitete, minderjährige Füchtlinge in Bremen erwartet. Das Sozialressort sucht eifrig nach Möglichkeiten, diesen Zuzug zu bewältigen und schreckt auch vor fragwürdigen Methoden nicht zurück, wie Sofia Leonidakis, linke Bürgerschaftsabgeordnete, der  Rechtsanwalt Jan Sürig, Verteter von Flüchtlingsinitiativen und Trägern der Flüchtlingshilfe sowie Casemanager des Sozialressorts anprangern.

Konkret geht es um die Altereinschätzung, einen Prozess, dem sich jeder junge Flüchtling ohne Papiere unterziehen muss. Wird er als minderjährig eingestuft, verbleibt er mit dem Anspruch auf Betreuung und Bildung im Jugendhilfesystem. Insbesondere erhält er den Status „geduldet“ und kann, eine Lehrstelle vorausgesetzt, auch über seine Volljährigkeit hinaus, in Bremen bleiben. Wird er als Erwachsen eingestuft, entfallen diese Leistungen.

Rechtsanwalt Sürig: „Alterseinschätzung ist Black Box“

Es wird kritisiert, dass die Alterseinschätzung nicht fachgerecht erfolge. Ursprünglich waren jeweils ein Casemanager und ein Vertreter des Gesundheitsamtes dafür zuständig. „Dieses Prinzip wird nicht eingehalten. Es kommt vor, dass neben dem Casemanager nur ein Sozialarbeiter im Anerkennungsjahr anwesend ist“, erklärt ein Casemanager, der unerkannt bleiben will.

Leonidakis betont: „Bremen hält hier die eigenen Standards nicht ein. Von der Fragwürdigkeit solcher Alterseinschätzungen ganz zu schweigen.“ Dr. Bernd Schneider, Sprecher Soziales, weist den Vorwurf zurück: „Die Anwesenheit eines Gesundheitsamt-Mitarbeiters ist kein Muss. Wichtig ist, dass bei diesem sensiblen Thema zwei Sozialpädagogen entscheiden.“ Sürig bezweifelt hingegen die Generalisierbarkeit der Schätz-Kriterien und bezeichnet das ganze Verfahren als „Black Box“.

Bremen hebt aufschiebende Wirkung auf

Jeder Flüchtling kann nach der Schätzung Widerspruch einlegen. Während das bislang aufschiebende Wirkung hatte – der Flüchtling verblieb bis zum Gerichtsurteil im Jugendhilfesystem – wird dieser Aufschub ab sofort nicht mehr gewährt.

Das bestätigte Dr. Heidemarie Rose, Abteilungsleiterin Junge Menschen beim Sozialressort, kürzlich vor der Sozialdeputation. Leonidakis: „Das hat vor Gericht keinen Bestand. Innerhalb kürzester Zeit wurde Soziales mehrfach vom Verwaltungsgericht verpflichtet, die aufschiebende Wirkung wieder einzurichten.“

Träger sollen Flüchtlinge nicht mehr bei Widersprüchen unterstützen

Darüber hinaus sollen Träger der Flüchtlingshilfe vom Sozialressort die Anweisung erhalten haben, Flüchtlinge nicht mehr beim Widersprechen zu unterstützen. Zwei Mitarbeiter eines Trägers, die darüber nicht sprechen dürfen, betonen: „Viele Kollegen machen das in ihrer Freizeit.“

Leonidakis erhebt zusammen mit Anna Schroeder von der Flüchtlignsinitiative einen weiteren Vorwurf: „Die jungen Flüchtlinge werden nicht über die Tragweite der Alterseinschätzung aufgeklärt. Uns wurde berichtet, dass mehrere zum Unterschreiben eines Verzichts auf Widerspruch aufgefordert wurden.“ Schneider entgegnet: „Im Fall einer Ablehnung wird ein Bescheid mit Rechtsbehelfsbelehrung erteilt.“

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