Der Käufer saniert das Haus bereits. Foto: Schlie |
Neun Mieter aus der Neustädter Rückertstraße 2 beklagen, dass sie auf die Straße gesetzt werden sollen, um Platz für Obdachlose zu machen. Der Hauseigentümer hat die Immobilie an eine benachbarte Herberge für Wohnungslose verkauft.
„Angespannt und anstrengend“ sei die Stimmung an der Rückertstraße 2 zurzeit, berichtet Mieterin Ariane von Mach. Der Grund: Seit Anfang des Jahres leben die Mieter des Hauses mit ihrem Vermieter-Ehepaar im Clinch. Das Paar hat das Haus nämlich verkauft – und zwar an den direkten Nachbarn, der nebenan eine Herberge für Wohnungslose betreibt und diese gern auch auf die Rückertstraße 2 ausweiten würde. Im Kaufvertrag festgelegt: Die Mieter müssen dafür raus.
Mieter: „Auch wir sind auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen“
„Wir sind für die langfristige Unterbringung und Wohnraumschaffung für Menschen, die von Obdach- und Wohnungslosigkeit bedroht sind“, stellen die Mieter in einem Informationsschreiben, mit dem sie auf ihre Situation aufmerksam machen, klar.
Hinter der Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten stecke in diesem Fall lediglich Profitinteresse. „Auch wir sind auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen“, sagt Ariane von Mach. In den drei verbleibenden Wohngemeinschaften lebten unter anderem Studenten, Azubis, Berufsanfänger und Geringverdiener.
Eigentümer haben kurz nach Hauskauf Kündigungen ausgesprochen
Von Mach wirft dem alten und neuen Eigentümer eine „Strohmanngeschichte“ vor. „Der ursprüngliche Eigentümer wollte nicht an den Nachbarn verkaufen“, behauptet von Mach. Deshalb habe das Ehepaar die Immobilie im vergangenen Jahr gekauft, um sie anschließend doch an den Betreiber der Obdachlosenherberge zu verkaufen.
Tatsächlich haben die aktuellen Eigentümer schon kurz nachdem sie im Grundbuch eingetragen waren ihren Mietern die Kündigung ausgesprochen. Die Begründung: Die Fortsetzung des Mietverhältnisses hindere das Paar an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks. Dadurch erleide sie erhebliche Nachteile.
Anwalt der Eigentümer bestreitet Vorwürfe
Von langer Hand geplant sei diese sogenannte Verwertungskündigung aber nicht gewesen, betont Uwe Piehl, der Anwalt des Vermieterpaars. Vielmehr hätten die neuen Eigentümer erst nach dem Kauf einen erheblichen Sanierungsaufwand am Gebäude festgestellt. „Man hatte vorher unter anderem nie die Möglichkeit gehabt, aufs Dach zu kommen“, sagt er.
Die voraussichtlichen Sanierungskosten – rund 120.000 Euro – habe die Bank dem Paar nicht mehr zur Verfügung stellen wollen. Parallel habe sich auch noch aus einem anderen Grund die finanzielle Situation des Paars verändert. „Man ist mit der Liquidität ins Schlingern gekommen.“
Anwalt: „Kaufinteressent kam wie ein Retter“
Über einen gemeinsamen Bekannten habe das Eigentümerpaar dann den kaufinteressierten Nachbarn kennengelernt. „Meine Mandanten haben sich wirtschaftlich unter Druck gesetzt gefühlt. Der Interessent kam wie ein Retter“, sagt Piehl.
Der Betreiber der Herberge bestreitet, dass das Ehepaar für ihn als Strohmann aufgetreten sei. „Ich hatte das Haus schon lange im Visier“, sagt er. Angeblich hatte er sich sogar mit den ursprünglichen Eigentümern bereits über einen Kauf geeinigt. Auch sie hätten ihm Mieterfreiheit zugesagt. „Als ich aus dem Urlaub gekommen bin, war das Haus dann trotzdem plötzlich an jemand anderen verkauft.“
Erste Mietpartei steht am Freitag vor Gericht
Am kommenden Freitag steht jetzt die erste Mietpartei mit den Noch-Eigentümern vor Gericht. Bernd Richter von Haus & Grund Bremen ist skeptisch, ob die Vermieter mit ihrer Begründung erfolgreich sind. „Es ist schwer mit einer Verwertungskündigung durchzukommen. Der Eigentümer muss nachweisen, dass er das Haus ohne Mieter zu einem deutlich höheren Preis als mit Mietern verkaufen kann“, sagt er.
Dietmar Wall vom Deutschen Mieterbund sieht es ähnlich, sagt aber auch: „Es gibt Fälle, in denen die Existenzbedrohung der Vermieter anerkannt wurde – das muss dann aber bereits im Kündigungsschreiben erwähnt werden.“