Olaf Bernau im Interview. Foto: Schlie |
Diskriminierung, Mobbing, Belästigung: Beschwerdestellen müsste es laut Gesetz seit 2006 eigentlich in jeder Firma geben. Die Realität sieht anders aus, weiß Olaf Bernau von der Beratungsstelle Antidiskriminierung in der Arbeitswelt (ADA). „Konflikte verursachen Kosten“, verrät er im Interview.
Weser Report: Wie groß ist der Anteil der Unternehmen, die eine Beschwerdestelle eingerichtet haben?
Antwort: Im Moment ist das noch, wie die Nadel im Heuhaufen zu suchen. Beschwerdestellen sind oft nur im öffentlichen Dienst zu finden. Wenn Betriebsräte ihre Arbeit gut machen, gibt es zwar oft dort einen Ansprechpartner für Probleme, aber die Stelle ist etwas, das der Arbeitgeber einrichten muss.
Was muss der Arbeitgeber dabei berücksichtigen?
Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz steht nur ein dünner Satz, der festlegt, dass es eine „zuständige Stelle“ geben muss. Dem Arbeitgeber ist freigestellt, in welcher Abteilung oder bei welchem Mitarbeiter er sie ansiedelt. Oftmals übernimmt die Personalabteilung die Aufgabe. So kann man sich billig aus der Affäre ziehen und so macht es meist auch der öffentliche Dienst. Wir empfehlen, paritätisch Vertreter des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers in das Gremium zu schicken und die Besetzung zum Beispiel im Rahmen einer Betriebsvereinbarung transparent zu machen. Betriebsratsmitglieder sollten meiner Meinung nach nicht auch in der Beschwerdestelle sitzen, weil es zu Rollenkonflikten kommen könnte. Einerseits wären sie an Abmahnungen und Kündigungen beteiligt, andererseits müssten sie den Gemaßregelten aber als Betriebrat auch verteidigen.
Steigen mti einer Beschwerdestellen die Beschwerden nicht erst recht?
Wenn es dann zu Denunzierungen kommt, ist das meiner Meinung nach ein Ausdruck davon, dass schon vorher etwas schief lief. Wo es eine wertschätzende Kultur des respektvollen Miteinanders gibt, kann sowas nicht entstehen. Eine Beschwerdestelle ist nur ein Instrument unter vielen, wenn es um ein diskriminierungsfreies Arbeitsklima geht.
Wodurch ergeben sich im Arbeitsalltag in der Regel Konflikte?
Zum Beispiel, weil Leute unterschiedlich schnell und effektiv arbeiten. Wenn dann unter der Hand Arbeit umverteilt wird, entstehen Konflikte. Es kommt darauf an, wie die Leitung damit umgeht. Gibt es Gespräche und zum Bespiel eine abgestimmte Umverteilung der Arbeit, dann ist die Grundlage für Konflikte oft entzogen. Niemand möchte Mobber sein, die meisten wachsen in diese Rolle hinein.
Was hat der Arbeitgeber davon, wenn er eine Beschwerdestelle einrichtet?
Konflikte verursachen hohe menschliche, aber auch finanzielle Kosten im Betrieb. Es gibt Studien, die von 20 Milliarden Euro Ausfallkosten pro Jahr in Deutschland ausgehen, die durch innebetriebliche Konflikte verursacht werden, zum Beispiel, weil Mitglieder aufgrund der Belastung erkranken.
Welche Folge hat eine Beschwerde?
Der Arbeitgeber muss die Beschwerde verfolgen – auch wenn sie später zurückgezogen wird. Unsere Empfehlung lautet daher: Erst einmal mit Freunden, Kollegen oder Mitarbeitern einer Beratungsstelle sprechen, ob man das Verfahren überhaupt zum aktuellen Zeitpunkt durchsteht. Liegt eine Beschwerde vor, wird der Zuständige zunächst mit allen Beteiligten Gespräche führen und schließlich dem Arbeitgeber eine Maßnahme vorschlagen – im Extremfall bis hin zur Kündigung des Beschwerdeverursachers.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist fast zehn Jahre alt. Warum werben Sie gerade jetzt intensiv für die Einrichtung von Beschwerdestellen?
Irgendwann muss man anfangen. Diskriminierung ist unverändert großes gesellschaftliches Problem. Das AGG hat einiges erreicht, aber der Diskriminierungs-Schutz ist nicht dort, wo er sein sollte.
Die Beratungsstelle ADA veranstaltet am Mittwoch, 11. November, 10 bis 17.30 Uhr einen Fachtag zu innerbetrieblichen Beschwerdestellen. Weitere Infos gibt es auf www.ada-bremen.de