Eltern streiten, Kinder leiden. Foto: WR |
Immer mehr Kinder werden von Jugendämtern in Obhut genommen. Bremen ist verhältnismäßiger Spitzenreiter unter deutschen Großstädten. Der Kinderschutzbund bewertet das positiv. Die CDU übt scharfe Kritik.
959 Kinder haben die Jugendämter bis November 2015 aus ihren Familien genommen. In Hannover sind lediglich 335 Kinder aus ihren Familien genommen worden. Damit ist die Hansestadt Spitzenreiter unter vergleichbaren Städten in Deutschland.
Im Vergleich zu 2014 ist diese Zahl sogar gestiegen. 904 Kinder sind damals in Bremen in Obhut genommen worden. Das heißt: Sie wurden in Heimen oder so genannten Erziehungsstellen untergebracht. In Hamburg, das drei Mal so viele Einwohner wie Bremen hat, waren es im gleichen Jahr 2045 Kinder.
Vernachlässigung und Überforderung Hauptgründe
„Seit dem Fall des durch Vernachlässigung verstorbenen Kevin 2006 ist die Zahl der Inobhutnahmen in Bremen gestiegen“, so Dr. Bernd Schneider, Sprecher der Sozialbehörde. Er glaubt, dass Großstädte Menschen mit sozialen Problemen anziehen, weil es hier die entsprechenden Hilfsstrukturen gebe. In Obhut genommen würden Kinder, bei denen die Behörden eine Gefährdung des Kindeswohls feststellten. „Meist sind die Eltern mit ihren Kindern überfordert“, so Schneider.
Das zeigt auch eine Studie des Statistischen Bundesamtes. Dort sind die häufigsten Gründe für Inobhutnahmen aufgelistet. Hauptgrund ist die Überforderung der Eltern, gefolgt von der Vernachlässigung des Kindes.
Nicht genug Kapazitäten bei Jugendamt und Trägern
„Inobhutnahmen sind gut und wichtig, weil der Schutz des Kindes im Vordergrund stehen sollte. Es gibt Kinder, denen es in ihrer Familie nicht gut geht“, sagt Doris Bendig, Psychologin beim Deutschen Kinderschutzbund Bremen. Sie arbeitet mit Familien und Kindern in schwierigen Lagen und berät bei Umgangsfragen. „Wir erleben oft, dass Mütter oder Väter selbst mit Gewalt erzogen worden sind. Die müssen den gewaltfreien Umgang mit ihren Kindern erst lernen“, so Bendig.
Sie sagt, die Inobhutnahmen in Bremen liefen in der Regel vernünftig ab, müssten den Kindern aber erklärt werden. „Die Bedingungen müssen verbessert werden. Es muss genügend Zeit geben, kindgerechte Gespräche mit den betroffenen Kindern zu führen, welche die Situation erklären und ihnen mögliche Schuldgefühle nehmen“, so Bendig. Dafür fehle es Jugendamt und freien Trägern in Bremen aber an Kapazitäten.
„Riesenlöcher müssen gestoppt werden“
Das kritisiert auch Sandra Ahrens, Fraktionssprecherin für Kinder der CDU Bremen. Sie sieht aber noch ein Problem: „Es ist nicht ausreichend Geld für Auffangssysteme wie Kindergärten oder Präventivmaßnahmen vorhanden.“ Sie sagt, Bremens Jugendämter hätten nicht genug Casemanager, die sich um sozial schwache Familien kümmern können. „Diese Riesenlöcher müssen dringend gestopft werden.“