Stolberg mit Anwalt vor Gericht. Foto: lab |
Niels Stolberg hat am Mittwoch erstmals Stellung zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft bezogen. Die vorgeworfene Bilanzfälschung hat der ehemalige Vorzeigereeder zugegeben, Kreditbetrug und Betrug will er sich nicht anlasten lassen. Die Wortwahl während seiner Einlassung war größtenteils sachlich und entschieden. Nur als es um „den Verlust seines Lebenswerkes“ und die „Schädigung seines Rufes“ ging, brach ihm zweimal kurz die Stimme weg.
Es gibt ein Sprichwort, was wohl auf niemanden so gut zuzutreffen scheint, wie auf Niels Stolberg: „Hochmut kommt vor dem Fall“. Ganz ohne Häme verstanden trifft es auf Stolbergs Ambitionen zu, gegen alle Widerstände Weltmarktführer im Bereich der Schwerlastschiffe zu bleiben. Der ehemalige Beluga-Chef schilderte zu Beginn seiner Einlassung eindrücklich, wie er mit seinem Unternehmen hoch hinaus wollte, irgendwann die Kontrolle und letztendlich sein „Lebenswerk“ verlor. „Ich habe schwere Fehler gemacht“, bilanzierte Stolberg.
„Kreative Darstellungen branchenüblich“
Bereits in den Vorbemerkungen seines Statements stellte Stolberg klar: Die Bilanzen hat er falsch dargestelt und dem amerikanischen Investor Oaktree vorgelegt, Kreditbetrug habe er aber nicht begangen. Die falschen Darstellungen der Baukosten um so Eigenkapital durch Rückführungen einbehalten zu können, weil die Banken eine Finanzierung entgegen des Normalfalls und ohne ihr Wissen fast vollständig übernehmen, sei branchenüblich.
Zudem betonte Stolberg, es wäre den Banken kein Schaden entstanden – im Gegenteil: Die Kreditinstitute hätten gut an ihm verdient und trotz Prüfung durch Experten keine kritischen Fragen zu seiner „kreativen Darstellung des Eigenkapitals“ gestellt.
„Den Vorwurf des Betrugs zu Lasten des Unternehmer Winter weise ich entschieden zurück. Auch der Vorwurf der Untreue trifft nicht zu“, entgegnete Stolberg den Vorwürfen aus der dritten Anklageschrift. Und er erhebt selbst einen Vorwurf: „Die Staatsanwaltschaft hat es sich viel zu einfach gemacht.“
„Hätte Kosten reduzieren und Probleme angehen sollen“
Ab 2009 habe er teilweise den Überblick und die Kontrolle über die Vorgänge in seinem Unternehmen verloren, erklärte Stolbert. 2009 habe nicht nur die Finanzkrise der Schiffahrt und Beluga zu schaffen gemacht, auch als Piraten seine Schiffe gekapert hätten, sei das für ihn eine schwierige Zeit gewesen. Weil er Gelder benötigte, habe er wochenlang zunächst mit der KfW-Bank verhandelt.
Als diese ihm keinen Kredit gewähren wollte, habe er nach anderen Lösungen gesucht. „Rückblickend hätte ich mich viel früher mit diesen Problemen auseinandersetzen müssen und die Kosten reduzieren sollen“, erklärte Stolberg. Aber er habe nunmal die Hoffnung gehabt, die Krise überstehen zu können, wenn er weiterhin auf Wachstum setze. So habe er gemeinsam mit der holländischen Werft Volharding entschieden, das Finanzierungsmodell das sie „Volharding-Tangente“ nennen, einzuführen.
„Banken haben hervorragend verdient, nichts hinterfragt“
Dabei hat er Baukosten für die in der holländischen Werft zu erbringenden Leistungen viel zu hoch angesetzt, um höhere Finanzierungen von der Bank zu erlangen. Die überschüssig gezahlten Kosten haben dann „Liquidität schnell zurückgebracht“, weil sie auf das Konto der Eneste-Gruppe und damit auf Stolbergs Konto floss. Die Staatsanwaltschaft nennt das: Kreditbetrug. Stolberg sagt, das sei ein branchenübliches Vorgehen. Bedenken habe er nicht gehabt, weil aus seiner Sicht den Banken kein Schaden entstanden ist. „Der Preis der Schiffe entsprach dem Marktpreis“, sagte Stolberg.
Die Rolle der Banken stellte Stolberg aus seiner Sicht ebenfalls dar: „Die Banken haben hervorragend verdient und niedrige Quoten akzeptiert. Auffällige Verträge haben sie nie hinterfragt.“ Er gehe davon aus, dass die Kreditinstute von den zu hoch ausgewiesenen Baukosten gewusst haben. „Aber Banken legen wenig Wert auf Regeln.“
„Habe mich nie persönlich bereichert“
Auch wie es zu den Bilanzfälschungen gekommen ist, erklärt Stolberg: „In der Finanzkrise waren die Schiffe nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Wegen unseres extremen Wachstums in den Boom-Jahren hatte ich aber keine Rücklagen. Kredite waren extrem schlecht zu bekommen.“ Deswegen habe er den amerikanischen Investor Oaktree mit ins Boot geholt. „Ich wollte die Beluga-Erfolgsgeschichte weiter voranbringen.“
Damit der Investor sein Unternehmen positiv wahrnemen würde, habe er Aufräge mit Hilfe von Briefkastenfirmen in Panama fingiert. Diese hätten Scheinrechnungen gestellt, die er aus seinem Privatvermägen bezahlt habe, ohne dass es eine Leistung gab. Anschließend hat er das Geld zurück in die Firma transferiert und so Scheinumsätze geschaffen. „Mir ist klar, dass dieses Verhalten unzulässig war“, bekannte er sich schuldig. Betonte aber: „Ich habe mich nie persönlich bereichert.“
Vorwurf: Oaktree hat von allem gewusst
Die Rolle von Oaktree sieht Stolberg anders als die Staatsanwaltschft. So sei der Investor nicht das geschädigte Opfer, sondern bewusst vorgehender Täter. „Hochkarätige Anwälte und Wirtschaftsprüfer haben Beluga vor der Übernahme gründlich geprüft, die sinnlosen Angaben in den Orderbooks gelesen. Die sollen das nicht gemerkt haben?“, fragte er und gab selbst die Antwort: „Ich glaube, Oaktree wusste, dass vieles nicht mit rechten Dingen zuging. Die haben das ausgenutzt, um später komplett die Kontrolle zu übernehmen.“
Nach seinem Rausschmiss im März 2011 habe Oaktree Insolvenz angemeldet, sei so Kosten los geworden und habe mit einem Teil seiner Schiffe in Hamburg eine neue Gesellschaft gegründet, die jetzt der neue Weltmarktführer im Schwerlastbereich sei.
„Halbwegs normales Leben nicht mehr möglich“
Immer wieder betonte Stolberg in seinen Ausführungen, wie wichtig ihm die „Beluga Family“ und der „Beluga Spirit“ gewesen sei. Er habe gewollt, dass sich seine Mitarbeiter bei ihm wohl fühlen und man eine gemeinsame Begeisterung für Beluga entwickle. Mit seinem sozialen Engagement habe er als erfolgreicher Unternehmer Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen wollen.
Und mit scharfer Stimme erklärte Stolberg, wie tief ihn die Vorwürfe der Presse, Spendengelder veruntreut zu haben, getroffen hätten. „Mein Ruf ist vollständig zerstört. Immer wiederkehrende, verletzende, unzutreffende Vorwürfe haben mich in die soziale Ächtung gedrängt.“ Nichtmal ein halbwegs normales Leben sei für ihn seit Beginn des Verfahrens möglich gewesen.
„Ich konnte mein Unternehmen nicht retten, habe meine komplette berufliche Lebenswelt verloren und ich bin froh, dass dieses Leben mit diesem Strafprozess ein Ende findet“, so Stolberg mit stockender Stimme und rotem Kopf. Er wolle ein neues Leben beginnen und habe deshalb auch mit den Ermittlungsbehörden kooperiert.
„Stolberg war aggressiv“
Ein etwas anderes Bild des Beluga-Chefs zeichnete hingegen der als Kronzeuge gehandelte und ehemalige Mitarbeiter Jens-Holger S. „Stolberg hatte mir gegenüber einen richtigen Ausfall, er war aggressiv, unterstellte mir Unfähigkeit“, schildert er ein „Schlüsselerlebnis“, das sein Verhalten geprägt habe. Grund für Stolbergs Ausfall sei eine von ihm nicht ganz zur Zufriedenheit des Unternehmers ausgeführte Aufgabe gewesen.
„Ich habe seitdem immer Druck gespürt, besser zu werden und Herrn Stolberg zufrieden zu stellen“, erklärte S. Deswegen habe er trotz Bedenken die Finanzierungsanträge mit zu hohen Baukosten abgeschickt. „Herr Stolberg versicherte mir, es würde kein Schaden entstehen und er übernehme die Verantwortung“, sagte S.
Ein schlechtes Gewissen habe er trotzdem immer gehabt, sei physisch und psychisch an seine Grenzen gekommen. Deswegen sei eine große Last von ihm abgefallen, als er die Behörden über die Vorgänge bei Beluga informierte.
„Natürlich gibt es einen Schaden“
Und, anders als sein ehemaliger Chef, der seinen Schilderungen konzentriert zuhörte und bei einer Verwechslung von S. sofort die Augenbrauen hochzog, stellte S. auch klar: „Natürlich gibt es durch den Zusammebruch des Marktes einen Schaden bei den Banken.“
Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollten zu beiden Einlassungen keine Kommentare abgegeben. „Die weiteren Ermittlungen werden mehr Erkenntnisse bringen“, erklärte Oberstaatsanwalt Frank Passade lediglich.