Anwalt von linkem Ultra Valentin S. wollte Verfahren einstellen

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Valentin S. am ersten Verhandlungstag. Foto: lab

Am Donnerstag ist der Prozess gegen den linken Ultra Valentin S. und zwei Mitangeklagte, die derselben Ultra-Szene zugeordnet werden, eröffnet worden. Verteidigung und Staatsanwaltschaft haben dabei deutlich verschiedene Positionen bezogen. Der Anwalt von S., Horst Wesemann beantragte zu Beginn, die Verhandlung wegen Verfahrensfehler einzustellen. Zudem wollte er den anwesenden Staatsanwalt des Saales verweisen, weil er auch als Zeuge in einem Anklagepunkt dient. Der Richter wies beide Anträge zurück.

In sieben Fällen soll Valentin S. gemeinschaftlich „Menschen misshandelt und der Gesundheit gefährdet“ haben, heißt es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Zudem soll S. einem Mann eine Kette mit Nazisymbol gestohlen haben. Motiv seiner Taten sei die vermutete Zugehörigkeit seiner Opfer zur rechten Szene. Das führende Verfahren behandelt dabei einen Vorfall nach dem Nordderby vor der Kneipe am Verdener Eck. Dabei soll Valentin sein Opfer mehrfach geschlagen und getreten haben, auch als es schon am Boden lag. Zudem soll er einen schweren Blumenkübel an seinen Kopf geschmissen haben.

Angeklagte wollten sich vor Gericht nicht äußern

 Einem richterlichen Vernehmungsprotokoll zu Folge, das in der Verhandlung vorgetragen worden ist, hat S. diese Prügelattacke bereits gestanden. Nur an den Blumenkübel könne er sich nicht erinnern, hieß es. Auch den Kettendiebstahl hat S. gestanden. Zudem beteuerte er dem Richter gegenüber, sein Verhalten in Zukunft ändern zu wollen und erklärte, er habe erkannt, dass er politische Ziele nicht mit militantem Verhalten durchsetzen könne.

Vor Gericht wollte sich keiner der Angeklagten mehr zu den Vorwürfen äußern. „Das ist total verständlich, nachdem S. von Polizei und Justiz auch während seiner Untersuchungshaft schikaniert worden ist“, so Anwalt Horst Wesemann. Er spielte damit auf die erneute Inhaftnahme nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts im November an. Valentin S. durfte zwischenzeitlich für fünf Wochen seine Untersuchungshaft außerhalb des Gefängnisses verbringen.

Weil das Oberlandesgericht aber eine Wiederholungsgefahr sah, musste S. zurück kehren. „Kurz vor Weihnachten ist er dann in ein Strafgefängnis in der Nähe von Rostock zusammen mit Nazis gesteckt worden“, so Wesemann. Das sei zum einen bemerkenswert, da ein jugendlicher Untersuchungshäftling nicht einfach in Strafthaft genommen werden dürfe. Zum anderen vermutet Wesemann: „Man will ihn brechen.“

 

Wesemann: Ist die Justiz auf dem rechten Auge blind?

Politisch aufgeladen war der erste Prozesstag ohnehin. Wesemann beschuldigt Justiz und Polizei in seiner Erklärung zu seinem Antrag auf Einstellung des Verfahrens, auf dem rechten Auge blind zu sein. „Im Januar 2007 überfielen Bremer Hooligans eine Party der linken Ultras im Ostkurvensaal. Mindestens zwei Personen wurden schwer verletzt. Der Prozess gegen die Rechten endete 2011 mit bescheidenen Geldstrafen“, führte er ein Beispiel an.

Zudem beachte das Gericht die Vorgeschichte zum Verdener Eck nicht. Anders als von der Staatsanwaltschaft dargestellt, hätten Mitglieder der rechten Szene einem Ultra eine Bierflasche auf den Kopf zerschlagen und Valentin S. und weitere Ultras danach aufgefordert, doch näher zu kommen. Beleidigt hätten sie die Ultras auch. „Mir ist dann die Sicherung durchgebrannt und ich habe mich auf ihn gestürzt“, gibt Valentin auch in dem Vernehmungsprotokoll zu.

 

Verteidigerin erhebt Vorwürfe zu Ermittlungen

Schwerwiegend sind auch die Vorwürfe der Verteidigerin des Angeklagten Daniel M. Sie wirft Polizei und Staatsanwaltschaft vor, einen Belastungszeugen, der sich inzwischen vermutlich in Polen befinden soll, nicht genug befragt zu haben. Diesem seien mehrfach und unmittelbar nachdem er Anzeige erstattet haben soll, Fotos vorgelegt worden sein, auf denen nicht die Angeklagten zu sehen gewesen seien. Dennoch soll er zweimal einen anderen Täter erkannt haben.

Erst nachdem er, Wochen nach der ersten Anzeige, bei einem Arztbesuch auf einen Bekannten traf und dieser ihm Fotos der drei Angeklagten zeigte, habe er einen „wundersamen Gedächtniszuwachs“ bekommen und Valentin S., ihren Mandanten und den dritten Angeklagten Wesley S. erkannt haben. Zu einer erneuten Vorlage eines Fotos von Valentin S. und den anderen seitens der Polizei sei es danach nie mehr gekommen, weil der Belastungszeuge danach nicht mehr auffindbar gewesen sein soll.

Richter mahnt S. vor Märtyrertum

Die Staatsanwaltschaft äußerte sich nicht zu den Aussagen der Verteidigung. Ingesamt entstand bei diesem ersten Verhandlungstag der Eindruck, dass es nicht nur um Körperverletzung in diesem Verfahren geht. Auch die Arbeit der Polizei und politische Meinungen spielen eine große Rolle. „Lassen Sie sich nicht zum Märtyrer machen, es geht hier um ihr Leben“, belehrte Richter Keller sodenn auch Valentin S. ein zweites Mal. „Wenn Sie aussagen, wirkt sich das positiv auf ein Strafmaß aus“, so der Richter. Valentin S. hat trotzdem keine Angaben gemacht.

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