Amad Alzouabi beim Filmschnitt. Foto: Niemann |
An einem ungewöhnlichen Projekt arbeitet Amad Alzouabi. Der Syrer hat seine Flucht nach Bremen mit dem Smartphone dokumentiert. Mit einem Film will er zeigen: Er ist nicht freiwillig hier.
Schüsse fallen, Soldaten mit Maschinengewehren gehen in Deckung, schießen zurück. „Das ist 100 Meter von unserem Haus entfernt“, sagt Amad Alzouabi. Schnitt: Seit vier Monaten lebt der 19-Jährige mit Zwillingsbruder Muhammed und seinen Eltern in einer Turnhalle in der Vahr.
Dort hat er einen Fotojournalisten aus Berlin kennengelernt, dem er seine Fotos und Filmschnipsel gezeigt hat. Über ihn hat er wiederum Kontakt zur Medienwerkstatt des Kulturzentrums Schlachthofs erhalten, wo er die Fragmente seit kurzem zu einer Reportage zusammensetzt.
Film beginnt mit Zerstörung des Elternhauses
Nicht alle Sequenzen stammen von Alzouabi selbst. Die Aufnahmen vom Gefecht in der Nähe seines Elternhauses habe er von Soldaten bekommen. Wenige Augenblicke später im Film des 19-Jährigen ist Familie Azouabi zu sehen, wie sie das erste Mal nach neun Monaten Belagerung in ihr zerstörtes Haus zurückkehrt. Die Fassade ist stellenweise durchlöchtert, in Zimmerdecken klaffen große Löcher. Amad und Muhammed lachen. „Man lacht, um nicht zu weinen.“
Sieben Monate später entschließt sich die Familie zur Flucht. Die Kinder haben ihren Schulabschluss in der Tasche, es droht die Einberufung zum Militär. 2.000 Dollar pro Person habe die Familie an Schleuser zahlen müssen, um vom syrischen Tafas bis an die türkische Grenze gebracht zu werden, sagt der junge Syrer.
Flucht wurde von IS-Kämpfern aufgehalten
Auf Transportern geht es durch die Wüste. Die eigentlich für eine Woche angesetzte Reise verzögert sich unplanmäßig. Der Treck wird aufgehalten, von „Daish“, wie Amad Alzouabi sagt. So wird der Islamische Staat in Teilen der arabischen Welt abschätzig genannt. Bilder gibt es von dieser Zeit nicht. Alle hätten ihre Handys abgeben müssen, bevor die meisten von ihnen zwei Wochen später doch weiterreisen durften. „Hätten wir gesagt, dass wir nach Deutschland wollen, hätte man uns umgebracht“, glaubt Alzouabi.
In einem überfüllten Schlauchboot ist die Familie auf die griechische Insel Samos gelangt. Weiter ging es mit einem Fährschiff. Sonnenuntergänge, Meer – an dieser Stelle sieht der Film fast nach Urlaub aus. Über Thessaloniki und Mazedonien ging es nach Serbien. „Dort war es am schlimmsten“, sagt der 19-Jährige. Tagelang habe die Familie auf der Straße schlafen müssen.
Junger Filmemacher: „Meine Geschichte ist die einfachste“
Alzouabis Bilder zeigen die Strapazen seiner Flucht. Trotzdem sagt er: „Meine Geschichte ist die einfachste. Andere haben unterwegs zum Beispiel Kinder verloren.“ Mit seinem Film wolle er zeigen, dass die Flucht kein freiwilliger Schritt war. „Wäre morgen Frieden in Syrien, würde ich zurückgehen, auch wenn ich dort in einem Zelt leben müsste“, sagt der 19-Jährige.
Das Kulturzentrum Schlachthof will Alzouabis Film in naher Zukunft öffentlich zeigen. Ein Termin dafür steht noch nicht fest, soll aber bald bekannt gegeben werden.