Die Grenze zwischen Komik und Lächerlichkeit ist eine schmale – das zeigt gleich die erste Szene der Neustädter Adaption von „Herr Lehmann“. Frank Lehmann kommt angetrunken aus der Kneipe und ein Hund will ihn auf dem Weg nach Hause nicht passieren lassen.
Schauspieler im Hundekostüm
Dass in der erfolgreichen Filmfassung von 2003 mehrere Anläufe und ein für die Szene trainierter Hund zur Verfügung standen, liegt auf der Hand. Beides kommt aber auf der Theaterbühne nicht in Betracht. Deshalb tritt Schauspieler Holger Spengler tatsächlich im Hundekostüm auf die Bühne. Das bringt einen schnellen Lacher vom Publikum.
Dass die Szene nicht ins Lächerliche abdriftet, ist einer cleveren Inszenierung geschuldet. Regisseur Helge Tramsen lässt Spengler nicht auf allen Vieren auf der Bühne herumkriechen, nicht mit dem Schweif wedeln und auch nicht albern knurren, sondern stattdessen summen. Das ist absurd – aber genau das ist die Einstiegsszene ja auch.
„Herr Lehmann“ wird in straffem Tempo erzählt
Von da an erzählt das Schnürschuh-Theater die von dem Bremer Schriftsteller Sven Regener erdachte Geschichte eines Mannes, den alle Herr Lehmann nennen, in einem straffen Tempo. Das ist auch nötig: Herr Lehmann ist alles andere als ein Kammerstück, sondern spielt an den verschiedensten Schauplätzen.
Mit einfachen Mitteln wie einem Tisch auf Rollen, der mal Kneipentresen, mal Restauranttisch und sogar ein Schwimmbecken sein kann, passen die Schauspieler die Kulisse immer wieder an. Auf ein aufwändiges Bühnenbild verzichtet die Schnürschuh-Inszenierung und legt den Fokus stattdessen auf die starken Mono- und Dialoge des zugrunde liegenden Stoffs. Das fünfköpfige Ensemble stellt kontinuierlich ein bemerkenswertes Timing unter Beweis und darf sich deshalb über gelungene Pointen freuen.
Schauspieler bekleiden viele Rollen
Immer wieder schlüpfen die fünf Schauspieler in ganz verschiedene Rollen. Dass beim Zuschauen trotzdem keine Verwechslungen aufkommen, ist eine Leistung für sich. Allein Holger Spengler, der am Anfang als Hund zu sehen ist, taucht später unter anderem noch als Herr Lehmanns Vater, als Badenixe, als Arzt und als polnischer Musiker auf.
Ihren Höhepunkt erreicht die Rollenvielfalt, als Spengler sich auf der Bühne mit sich selbst prügelt, während er abwechselnd von der Rolle des bekifften Kneipengasts in seine Paradedisziplin als herrliche schwäbelnder Kneipenbesitzer Erwin schlüpft.
Quietschbunte und schrullige Charaktere
Dass quietschbunte und schrullige Rollen wie diese Herrn Lehmann fast schon in den Hintergrund drängen, scheint gewollt. Schauspieler Pascal Makowka versteht es, dem ständig von seiner Umgebung irritierten Herrn Lehmann trotzdem genug Tiefenschärfe zu verleihen. Der Protagonist ist sympathisch genug, um sich mit ihm zu wundern, aber gleichzeitig auch so eigenartig, dass über ihn gelacht werden kann.
Unterm Strich bietet „Herr Lehmann“ 100 Minuten Unterhaltung und jede Menge Witz. Zu sehen ist das Stück noch bis Mitte Juni. Weitere Infos gibt es unter www.schnuerschuh-theater.de