Zehnjährige Turnerin in den Bundeskader aufgenommen

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Karina Schönmaier auf dem Balken. Foto: Schlie

Seit Jahren räumt die zehnjährige Karina vom TuS Huchting einen Turnsieg nach dem anderen ab. Nun ist sie in den Bundeskader aufgenommen worden. Das Mädchen bräuchte dringend einen Sponsor.

In der unscheinbaren Turnhalle auf dem Gelände des Bürger- und Sozialzentrums Huchting riecht es nach Schweiß, Käsemauken, und Sportmatten. Dazu tänzeln, quasi als Kontrastprogramm, etwa zwei Dutzend Mädchen in glitzernden Turnanzügen über die Balken, schwingen sich am Reck, oder sprinten durch die Halle. Dies ist der Ort, an dem seit vier Jahren ein Talent heranwächst. Ein Küken, wie ihre Trainerin Katharina Kort sie nennt. „So ein Küken hat man nur selten. Vielleicht nie wieder.“

Nur zwölf Mädchen schaffen es deutschlandweit in den Bundeskader

Karina Schönmaier ist zehn Jahre alt; sie wirkt jünger, klein und zierlich wie sie ist. Seit kurzem ist sie in den Bundeskader der  Turner aufgenommen worden. Nur zwölf Mädchen aus ganz Deutschland sind in ihrer Altersstufe dabei. Und auch innerhalb dieses exquisiten Kreises gehört sie zu den besten. „Olympia 2024“ ist das Ziel, das ihr jetzt gesteckt wird.

„Sprung, Barren, Balken, Boden“, zählt das schüchterne Mädchen die olympischen Disziplinen auf. Beim Vorturnen für den Bundeskader musste sie sich in deutlich mehr Disziplinen beweisen – ganze 25 Stationen sollte sie den Kampfrichtern vorführen. Ein Tau muss sie in zwölf Sekunden nach oben geklettert sein – Karina schafft es in acht. Und bei ihrem Vorturnen auf dem Barren staunte eine Kampfrichterin: „Die Beine sind ja höher als der Dutt“.

Talent ergibt sich aus Intuition, Leidenschaft  – und täglichem Üben 

„Karinas größtes Talent ist eigentlich, dass sie in keinem Bereich eine Schwäche hat“, erklärt Kort. „Sie eignet sich intuitiv alles an.“ Für das Vorturnen musste sie auch Trampolin springen können. „Wir mussten extra nach Buchholz zu einem geeigneten Trampolin fahren. Innerhalb von drei Stunden hatte sie dann alles Wichtige drauf.“

Als Karina vor vier Jahren das erste Mal zum „Spiel, Spaß, Talentsichtungstag“ in die Halle des TuS kam, trat sie ans Reck und machte intuitiv sofort einen Aufschwung. „Zuhause kann ich das Kind gar nicht ruhig halten“, habe Karinas Mutter damals gesagt. Die Kleine springe über Zäune, die doppelt so hoch seien, wie sie selbst. „Das ist einfach meine normale Bewegungsart“, soll Karina  dazu erklärt haben.

Für sie, so scheint es, ist das Turnen tatsächlich eine Leidenschaft. Sechs Tage die Woche kommt sie zum Training in die Halle. „Am liebsten würde sie auch noch am siebten Tag kommen – aber ich muss ja auch noch irgendwann frei haben“, meint Kort.

Ihre Wochenenden verbringt Karina auf dem Weg zu Wettbewerben

Frei haben – das ist dabei ein Luxusgut. Seit Karina zu Wettbewerben fährt, haben Kort und auch Karinas Mutter ihre Wochenenden meist verplant. Durch ganz Deutschland muss das junge Talent gefahren werden. „Letzte Woche waren wir in Stuttgart“, zählt die Trainerin auf, „und an diesem Wochenende müssen wir für das Training mit dem Bundeskader nach Frankfurt. Ich glaube, Karina hat im letzten Jahr fast länger im Auto gesessen, als trainiert.“

Karinas Mutter ist keine „Tennismutter“, keine Frau, die ihrer Tochter einen übertriebenen sportlichen Ehrgeiz aufdrängt. Im Gegenteil. „Es kostet sehr viel Geld und sehr viel Zeit, Karina zu all den Wettkämpfen zu bringen“, gibt sie unumwunden zu. Solange es geht, möchte sie weitermachen. Aber sie sagt auch: „Nein sagen kann ich immer noch.“

Geld verdient man nicht einmal als olympischer Turner

Karina mit ihrer Trainerin.

Jetzt, wo Karina im Bundeskader ist, wird es nicht unbedingt leichter. Eigentlich soll das Mädchen die Woche über ins Internat in Detmold  kommen. Will sie das denn? Die Zehnjährige lächelt still, guckt auf ihre Hände und zuckt dann mit den Schultern. „Es fällt ihr schwer, loszulassen“, erklärt Kort. Sie habe Angst, ohne ihre Mutter oder ihre Trainerin irgendwo hinzugehen. So wird sie in den nächsten Jahren wohl zunächst nur wenige Tage in der Woche in Detmold sein – die Autofahrten werden wohl noch mehr Zeit verschlucken.

Eigentlich bräuchte Karina einen Sponsor. „Aber die melden sich lieber für junge Fußballer“, bedauert Kort. Leichter wird das in Zukunft nicht. „Als Turner verdient man kein Geld – selbst dann nicht, wenn man Gold bei den Olympischen Spielen holt“, erklärt Kort.

Karina, ein Mädchen, dass sehr gerne und sehr gut turnt. Leichter wird dieses Talent ihr das Leben wohl nicht machen.

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