Proppenvoll war die Aula der Roland-zu-Bremen-Oberschule am Montagabend. Weit über hundert Bürger waren zur Beiratssitzung gekommen, um zu hören, wie die geplanten Flüchtlingsunterkünfte an der Obervielander Straße und an der Huchtinger Heerstraße aussehen soll – aber auch, um ihre Unterstützung oder ihren Unmut zu äußern.
Flüchtlingsunterkünfte für Familien und Jugendliche
Die Fakten immerhin kamen nicht zu kurz: Auf dem ehemaligen ASV-Gelände an der Obervielander Straße sollen Apartments für 135 Flüchtlinge entstehen, direkt nebenan am Bolzplatz „Platz Nummer 7“ Wohnungen für 280 Menschen – vor allem Familien mit Kindern. Schon im Juli sollen die Einrichtungen bezugsfertig sein.
In das ehemalige Hotel „Zum Landgrafen“ an der Huchtinger Heerstraße sollen zudem etwa 100 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge ziehen. Für die Jugendlichen wird in etwa eine Eins zu Drei bis Eins zu Vier -Betreuung geben, ältere Jugendliche sollen in einer eigenen Etage auf das selbständige Wohnen vorbereitet werden.
Wohnungen sollen später weiter genutzt werden können
Der Beirat, so lobte Beiratssprecher Falko Bries (SPD), war über diese Pläne früh informiert und vom Amt für Soziale Dienste einbezogen worden. „Unsere Wünsche wurden eigentlich alle erfüllt“, freute er sich: Teile des Bolzplatzes sollen für den Freizeitsport und die Freiwillige Feuerwehr erhalten bleiben und in einigen Gebäuden vor Ort soll Platz für Gemeinschafts- und ehrenamtliche Aktivitäten sein.
Vor allem war dem Beirat wichtig, dass die festen Flüchtlingsunterkünfte an der Obervielander Straße nach zehn Jahren und das Hotel am Ortsausgang nach fünf Jahren Nutzung durch die Flüchtlinge als Wohn- und Gewerbegebäude weiter genutzt werden können.
„So etwas kennen wir schon in Huchting: Während der Jugoslawien-Kriege wurden solche Unterkünfte für die Flüchtlinge in der Luxemburger Straße gebaut. Heute sind die Häuser weiter bewohnt, und wie ich höre, leben die Menschen ganz gerne dort“, lobte Bries die Pläne zur Nachnutzung.
Turnhalle „Delfter Straße“ bald wieder für den Sport da
Im Gegenzug für die neuen Bauten soll die Turnhalle an der Delfter Straße schon bis Ende April geräumt werden – und dann nach einigen Renovierungsarbeiten wieder für den Sport zur Verfügung stehen. Auch die jugendlichen Flüchtlinge aus der Luxemburger Straße sollen schon bald ausziehen und in ein Heim in Walle verlegt werden.
Redebedarf gab es auch nach diesen Erklärungen viel. Lange Erklärungen und Zwischenrufe prägten die Diskussionen, die Menge kommentierte Redebeiträge durch Murren oder Lachen. „Es geht hier um Huchting und nicht um Weltanschauungen oder Definitionsfragen. Bitte stellen sie nur konkrete Fragen zum Tagesordnungspunkt“, versuchte Ortsamtsleiter Christian Schlesselmann Beirat und Publikum zur Ruhe zu rufen.
Hilfsbereitschaft – und Angst vor jugendlichen Flüchtlingen
Doch ganz ohne Weltanschauungen, ohne persönliche Berichte und ohne Sorgen-Bekenntnisse ging die Sitzung trotz Schlesselmanns Plädoyer nicht über die Bühne. Neben vielen Besuchern, die ihre Hilfsbereitschaft signalisierten oder von positiven Erfahrungen mit Flüchtlingen erzählten, hatten einige Bürger vor allem hinsichtlich der jugendlichen Flüchtlinge grundsätzliche Sorgen.
„Aber“-Sätze nahmen dabei breiten Raum ein. „Wir haben nichts gegen Flüchtlinge oder Flüchtlingsunterkünfte – aber Huchting ist jetzt schon ein sozialer Brennpunkt“, hieß es etwa.
„Wir nehmen gerne Familien mit Kindern auf – aber wir wollen nicht noch mehr Jugendliche“, erklärte eine andere Besucherin. „Da kann man ja ohne Angst vor Überfällen abends nicht mehr rausgehen.“ „Diese jungen Flüchtlinge zahlen einmal Ihre Rente – wir brauchen die“, kritisierte ein junger Besucher diesen Kommentar.
Die meisten unbegleiteten Minderjährigen voller Ehrgeiz
Dr. Heidemarie Rose von der Bremer Sozialbehörde versuchte, die Sorgen ernst zu nehmen, aber stellte auch unmissverständlich klar: „Ich lasse mir meine Jugendlichen nicht zu Dämonen machen, vor denen man nachts Angst haben muss.“ Die allermeisten seien mit unglaublich viel Eifer und Ehrgeiz dabei, Deutsch zu lernen und einen Beruf zu wählen.
Ein Huchtinger Kontaktpolizist habe ihr im Gespräch zudem nichts von Problemen mit den unbegleiteten Minderjährigen aus der Flüchtlingsunterkunft an der Luxemburger Straße berichten können.
Unter den 2.700 geflüchteten unbegleiteten Minderjährigen in Bremen gäbe es nur etwa 50 Jugendliche, die Probleme machten. „Die Jungs haben ihr Leben auf der Straße verbracht und sehen keine anderen Perspektiven – mit ihnen ist das Arbeiten anstrengend“, wollte Rose nicht verschweigen. „Im Zweifelsfall heißt eine Lösung für diese paar Jungs auch Haft.“
Idee zu „Runden Tischen“
Gegen Ende der zweieinhalbstündigen Sitzung beruhigte sich die aufgeheizte Stimmung etwas. Schließlich setzte sich in den Wortbeiträgen eine Idee immer mehr durch: Huchting brauche wieder einen runden Tisch für Flüchtlinge, wie schon während des Jugoslawien-Krieges.
Einen Anlaufpunkt, an dem willige Unterstützer erfahren, wo Not am Mann ist, wo Fachwissen von Experten gesammelt wird und wo eventuelle Probleme sofort auf den Tisch kommen.
„Je näher man an ein Thema rankommt, desto weniger wird es zum Problem“, empfahl Dr. Rose den persönlichen Kontakt zu Flüchtlingen an und erzählte weiter: „Als die Jugendlichen nach einem Jahr aus der Turnhalle in Obervieland ausziehen sollten, haben die Obervieländer bei uns gerade zu gebettelt, dass sie doch noch länger im Stadtteil bleiben sollen.“