Vier freundliche türkische Männer um die siebzig sitzen an diesem Donnerstag im Helga-Jansen-Haus. Sie spielen Rommee, sprechen über ihre Kinder und Enkel sowie über Politik und schimpfen bei der Gelegenheit ein wenig über Gerhard Schröder und Norbert Blüm. Sevimli Ali-Riza, Süleyman Cambaz, Berktas Ali und Tahsin Turan kommen allesamt aus der Türkei, aber leben seit fast fünfzig Jahren in Deutschland.
„Wir sind die erste Generation“, sagt Ali-Riza – die anderen nicken, als läge darin eine tiefere Wahrheit. In der Stahlwerksabteilung, in der er gearbeitet hat, seien damals nur sechs Deutsche unter den 80 Arbeitern gewesen – „und die waren Meister oder Obermeister.“
Viele Migranten sind gealtert, ohne richtig Deutsch zu lernen
Die Männer die damals als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland kamen, sind heute alt geworden. Ihre Kinder und Enkel sind in Deutschland geboren und hier zur Schule gegangen. Doch für die alten Türken ist das Leben in Deutschland immer noch mit manchen Schwierigkeiten verbunden.
„Obwohl wir so lange hier sind, sprechen viele von uns nicht richtig Deutsch“, sagt Ali-Riza. „Sprachkurse mussten wir früher bezahlen. Und es war schwer, im Schichtdienst noch Zeit dafür zu finden.“
Hilfe bei Anträgen, Vorträge und Gespräche auf türkisch
Der Rentner arbeitet heute für das „ZIS“, das Zentrum für Migranten und interkulturelle Studien. Im Helga-Jansen-Haus in Huchting möchte er demnächst einen Gesprächskreis anbieten, bei dem vor allem ältere Menschen zusammenkommen können. Das Projekt teils mit Geld aus dem Programm „Wohnen in Nachbarschaften“ finanziert, aber es steckt auch viel ehrenamtlicher Aufwand darin.
Den Besuchern will Ali-Riza unter anderem helfen, Anträge zu stellen, etwa beim Versorgungsamt. Auch Vorträge zu Gesundheitsthemen sind geplant – und natürlich Zeit fürs Kartenspiel sowie für Gespräche. Immer soll jemand dabei sein, der türkisch spricht, damit sich auch die erste Generation wohlfühlt, mitreden und sich austauschen kann.
Türkische Gastarbeiter hatten schlechte Arbeitsbedingungen
Wie ein Treffen aussehen könnte, kann man schon in der kleinen Runde erahnen, die sich zur Planung getroffen hat. Eine Geschichte ergibt die nächste, bei vielen Themen haben die Männer ähnliche Erfahrungen gemacht.
„Wir haben schwere Arbeit geleistet und niemals ,Nein‘ gesagt“, erzählt Ali-Riza. 1967 hat er angefangen, bei den Stahlwerken zu arbeiten – dort wurde Asbest zur Hitzeisolierung genutzt. „Viele meiner Kollegen von damals sind tot. Sie sind an Krebs gestorben.“
Trotz der dreißig bis vierzig Jahre, die sie in Deutschland gearbeitet haben, liegt die Rente der vier ehemaligen Gastarbeiter nur knapp über dem Hartz-IV-Niveau. Verbesserungsvorschläge für den deutschen Sozialstaat haben sie einige. „Warum können alte Menschen mit dem Bus nicht umsonst zum Arzt fahren?“, ist so eine Idee. Und Zeitarbeit, finden die Männer, gehöre abgeschafft.
Die deutsch-türkischen Enkel leben ein anderes Leben
Besonders Cambaz macht sich zudem Sorgen um die jüngere Generation von Deutschtürken. „Viele von ihnen arbeiten nicht“, behauptet er. „Manche sind faul. Aber viele sind auch trotzig gegenüber der Gesellschaft, weil ihre Eltern hier so hart gearbeitet haben.“
In die türkischen Vereine und Teestuben möchte er sich zum Reden lieber nicht setzen, erklärt Cambaz. „Dort ist alles verraucht und die Scheiben sind verhangen. Wer weiß schon, was da alles getrieben wird.“ In der Begegnungsstätte dagegen sei es sauber und gemütlich – der richtige Ort für Leute wie ihn.
Donnerstags interkultureller Gesprächskreis in Huchting
In Huchting, da sind sich die vier sicher, wird es viele Menschen geben, die Lust auf solche Treffen haben. Für die Gesprächskreise, die im April starten und immer Donnerstags von 14 bis 16 Uhr stattfinden sollen, wollen sie Flyer auf deutsch und türkisch verteilen.
Am 28. April plant das ZIS außerdem eine große Veranstaltung zu „50 Jahre Migration“ im Helga-Jansen-Haus. „Das wird uns im Stadtteil noch bekannter machen“, glaubt Ali-Riza.