Zur Ruhe kommen – das ist so ein Begriff, der Claudius Joecke von der Medienwerkstatt einfällt, wenn er sein neues Stadtteilprojekt beschreibt. Flüchtlinge der Wohnheime in Huchting gestalten dabei gemeinsam wetterfeste Sitzgelegenheiten.
Der Projektname „Mensch, setz dich doch“ soll eine Aufforderung an die Flüchtlinge sein, im Stadtteil anzukommen und sich in Ruhe niederzulassen. „Man darf nicht vergessen, was für eine anstrengemde Flucht viele Menschen hinter sich haben, wenn sie hier ankommen.“
Projekt auch gegen die Langeweile im Flüchtlingsheim
Das Projekt, das aus WiN-Mitteln, Materialspenden der Sparkasse Bremen und Geldern der Awo finanziert wird, hat in den Weihnachtsferien im Übergangswohnheim an der Luxemburger Straße angefangen. „Zu dieser Zeit ist es für die Jugendlichen dort besonders langweilig – alle Ehrenamtlichen sind im Urlaub, und auch die Deutschkurse fallen aus“, erklärt Joecke.
Zunächst haben sie einige Tonmodelle erstellt, doch mittlerweile sind alle mit dem Bau der echten Stühle beschäftigt: Mit Zeitungspapier haben die Bewohner der verschiedenen Wohnheime alte Kleidungsstücke so ausgefüllt, dass eine Körperform entstanden ist. Diese wird auf einen Stuhl gesetzt, bekommt einen Koffer in die Hand gedrückt und wird anschließend einbetoniert.
Alle bauen gemeinsam an den Stühlen
Jede Seite muss einzeln bearbeitet werden und dann einige Tage ruhen. Nun, in den Osterferien, wird an der Huchtinger Heerstraße weitergebastelt. Vor allem Männer und Kinder beteiligen sich an der schmutzigen Arbeit.
Auch Bewohner des nahe gelegenen Heims an der Kirchhuchtinger Landstraße und einige Nachbarn sind in diesen Tagen vorbeigekommen, um mitzumachen. Am Ende ist kein Stuhl einem einzelnen Erbauer zuzuordnen – „alle haben im Team zusammengearbeitet“, so Joecke.
Die Kinder sind mit besonderem Eifer dabei
Auch Kholijan, Hamudi, und Silva, zwei Jungs und ein Mädchen, waren fleißig dabei. Obwohl sich die Beton-Stühle vor dem Anmalen noch ähneln – die drei Kinder können sich noch ganz genau erinnern, an welchen Figuren sie mitgearbeitet haben.
„Nächste Woche machen wir weiter mit dem Schleim“, erklärt Kholijan auf Deutsch. Und tatsächlich: Am Dienstag und am Donnerstag soll auf dem Gelände der Huchtinger Heerstraße 5 bis 7 wieder mit dem Glasfaserbeton gearbeitet werden.
Bürger in Huchting sind eingeladen, mitzubauen
Alle Bürger aus dem Stadteil sind eingeladen, jeweils ab zehn Uhr mit dabei zu sein. Wer dazu Lust hat, sollte aber zusätzlich zu den ausgeteilten Einmal-Overalls noch Kleider und Schuhe anziehen, die schmutzig werden dürfen.
Wer sich auf die neuen Stühle setzt, sitzt dem so gestalteten Betonmenschen praktisch auf dem Schoß. „Dafür muss man normalerweise schon sehr vertraut sein“, sagt Joecke. Ein Nebeneffekt, der durchaus erwünscht ist: „Diese Vertrautheit würden sich hier viele der neuen Bürger wünschen“, so Joecke weiter.
Die Stühle bleiben, die jungen Flüchtlinge müssen gehen
Ein „Übergangswohnheim“ ist genau das: Ein Übergang. Auch für die jugendlichen unbegleiteten Flüchtlinge, die an der Luxemburger Straße untergekommen sind. Sie müssen bald ausziehen und werden nach Walle verlegt.
Ankommen, zur Ruhe kommen und sich niederlassen konnten sie in Huchting also nicht auf Dauer. Ihre Stühle aus Beton aber bleiben im Stadtteil.
Wenn es nach Joecke und den Erbauern geht – und falls sich ein Platz findet – könnten sie den Huchtingern noch lange als Sitzgelegenheit dienen.