Bürgermeister Thomsen präsentiert die Patchwork-Decke, die von neuen und alten Stuhrer Bürgern gestrickt wurde. Bürgermeister Thomsen zeigt die Patchwork-Decke, die von Ehrenamtlichen, Flüchtlingen, und Bürgern Stuhrs gestrickt wurde
Frühlingsempfang

Stuhr: Empfang für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer

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Den Ehrenamtlichen ist es zu verdanken, dass die Flüchtlinge in Stuhr gut angekommen sind. Beim Frühlingsempfang im Rathaus sollte das Engagement geehrt werden. Bürgermeister Thomsen griff dazu sogar nach Stricknadeln.

Gäste beim Frühlingsempfang im Rathaus Stuhr

Gäste beim Frühlingsempfang im Rathaus Stuhr

Eine Patchworkdecke besteht aus vielen bunten Flicken; je bunter sie wird, desto schöner wird sie auch. Das Bild ist als Symbol für Interkulturalität fast schon ein bisschen zu plakativ, um noch Wirkung zu entfalten – aber auch fast ein bisschen zu gut, um  nicht verwendet zu werden. Seit diesem Sonntag also hängt im Rathaus eine Patchworkdecke. Ehrenamtliche, alteingesessene Bürger aus Stuhr, und Flüchtlinge aus vielen Kulturkreisen haben sie zusammen gestrickt.

Übergeben wurde die Decke von Daniela Gräf, der Leiterin des Mehrgenerationen-Hauses Brinkum beim Frühlingsempfang der Gemeinde. Dort sollten all jene geehrt werden, die sich im vergangenen Jahr auf die ein oder andere Weise für die ankommenden Flüchtlinge und damit für die Buntheit in Stuhr eingesetzt hatten.

Auch die kleinen Gesten helfen den Flüchtlingen

„Viele Menschen wurden auch im vergangenen Jahr zu der Entscheidung gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und anderswo ein besseres Leben zu suchen“, erinnerte Bürgermeister Niels Thomsen an das Leid der Flüchtlinge. „Wir haben sie hier in Obhut genommen – mit all ihren Erlebnissen, Erinnerungen, Träumen und Wünschen.“ Ohne die Ehrenamtlichen, so Thomsen weiter, hätte das nie funktionieren können. „Das ganze Ausmaß des Engagements ist schwer zu messen – aber heute ist es hier zu sehen“, sprach er und applaudierte den Besuchern.

Auch einige Flüchtlinge waren beim Tag der Ehrung dabei – schon allein, weil viele von ihnen im „Interkulturellen Chor“ mitsingen, der mehrere Lieder auf unterschiedlichen Sprachen vortrug. Manal Tabakh und ihr achtzehnjähriger Sohn Nour al-Othman aus Syrien sind vor fünf Monaten nach Deutschland gekommen und leben seit drei Monaten in Stuhr. Es waren Ehrenamtliche, so erzählen sie, die ihnen anfangs alles gezeigt haben und auch den Chor empfohlen haben.

„Eigentlich tue ich ja gar nichts“, hörte man an diesem Sonntag immer wieder von den geladenen Ehrenamtlichen. Doch neben „Vollzeit-Engagierten“ wie Ute Sydow, die als „Mama Somalia“ bekannt ist und die Flüchtlingshilfe in Stuhr ehrenamtlich koordiniert, sind es vor allem auch die vielen kleinen Hilfen, die den neuen Bürgern das Ankommen erleichtern.

Eine Anstecknadel für alle Ehrenamtlichen in Stuhr

Die eigens geschaffene Anstecknadel für Ehrenamtliche, die Flüchtlingen helfen. Sie ersetzt dieses Jahr den Stuhrer Wolf

Die eigens geschaffene Anstecknadel ersetzt dieses Jahr den „Stuhrer Wolf“

Heide Sagehorn versucht, Materialien zum Deutschlernen, Fahrräder und andere Dinge zu organisieren, die die Familien dringend brauchen. Die Band Lenna hat mit ihrem Song „Tausend Farben“ ein öffentliches Plädoyer für Vielfalt geschrieben. Adalbert Glienke von der Gemeinde Brinkum versucht beim Kirchenkaffee in der „sehr schön gemischten Runde“ mit Händen und Füßen mit den Flüchtlingen zu kommunizieren. Und das Ehepaar Seegers kümmert sich um eine Frau von der Elfenbeinküste, „die wir eigentlich durch Zufall kennengelernt haben“.

Über hundert engagierte Ehrenamtliche sind beim Frühlingsempfang versammelt, noch mehr waren eingeladen. Jeder von Ihnen konnte sich bei Thomsen eine Anstecknadel abholen, die eigens für die Veranstaltung kreiert wurde und dieses Jahr den „Stuhrer Wolf“ ersetzte. „Bitte denken Sie nicht, dass Ihre Leistung für die Ehrung zu klein ist – das ist sie nämlich nicht“, betonte Thomsen.

Ehrenamts-Preis „Stuhrer Wolf“ muss ein Jahr aussetzen

Dass der „Stuhrer Wolf“ dieses Jahr dem Frühlingsempfang weichen musste, wurde im Vorfeld von einigen kritisiert. Die Ehrennadel wird normalerweise jedes Jahr an Ehrenamtliche aus fünf unterschiedlichen Bereichen verliehen. „Dieses Jahr stand die Flüchtlingshilfe so im Vordergrund, dass wir Angst hatten, dass die anderen Geehrten nicht wahrgenommen würden – und der Stuhrer Wolf so auch entwertet würde“, hatte Thomsen im Dezember die Entscheidung für den Frühlingsempfang begründet.

Manche, das verschwieg Thomsen in seiner Rede nicht,  empfanden die einmalige Aussetzung des Preises aber eher als Abwertung eines jeden Ehrenamtes, dass nicht mit Flüchtlingen zu tun habe. „Aber nur weil das Ehrenamt insgesamt in Stuhr so eine starke Tradition hat, gab es auch diese große Bereitschaft, den Flüchtlingen zu helfen“, wandte der Bürgermeister dagegen ein.

Ohne Masterplan nach neuen Lösungen suchend

„Wir schaffen das, hat die Kanzlerin gesagt. Haben wir es bisher wirklich geschafft?“, fragte Bürgermeister Niels Thomsen sich und die Anwesenden. „Ich weiß nicht, ob wir schon weit genug sind. Aber ich weiß, dass das, was wir geschafft haben, niemand für möglich gehalten hätte, weder in Deutschland selbst, noch im Ausland.“

Niels Thomsen und Daniela Gräf müssen lachen, als der Bürgermeister seinen Gemeinschafts-Strick-Flicken bekommt

Thomsen bekommt seinen persönlichen Gemeinschafts-Strick-Flicken. „Als ich zuletzt etwas Gestricktes geschenkt bekommen habe, waren das Socken von meiner Schwiegermutter.“

Neben den Ehrenamtlichen lobte Thomsen auch die Leistung der Verwaltung. Mit vielen Überstunden und „ganz ohne Masterplan“ hätten die Mitarbeiter jede Woche neue Lösungen für neue Probleme gefunden. „Da bin ich wirklich stolz drauf.“

Auch er selbst hat sich im Übrigen am Stricken versucht. „Herr Thomsen hat beim „Tag der Begegnung“ vor zwei Wochen lange an unserem Stand gesessen, hochkonzentriert gearbeitet,  und schließlich nach langer Arbeit drei Maschen für Stuhr beigesteuert“ erzählte Gräf. Damit daraus doch noch ein ganzer Lappen zustande kommen konnte, hätten viele Besucher daran weitergearbeitet – so dass Thomsen am Ende seinen ganz persönlichen Gemeinschaftsflicken im Bilderrahmen überreicht bekommen konnte.

 

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