Ein Blick auf mein Smartphone zeigt mir, dass ich in das Jahr 1907 versetzt worden bin, Datum Sonntag, 15. September. Mir gegenüber sitzt ein eleganter Herr, um die 40 Jahre alt, mit kleiner Nickelbrille. Er hat eine Aktentasche auf dem Schoß und darauf einen Stapel beschriebener Papiere, in die er mit einem Füller Änderungen einfügt.
Wir kommen ins Gespräch, und er erzählt, dass er Pastor sei, aus Eutin komme und auf dem Weg in die Delmenhorster Stadtkirche sei, wo er seine Gastpredigt halten und sich der Gemeinde vorstellen wolle.
Er, bekannt macht er sich mir als Theodor Ahlrichs, wolle diese Predigt in rhetorischer Perfektion darbringen. Am Bahnhof in Delmenhorst angekommen, trennen sich unsere Wege, und kurz darauf bin ich wieder in der Gegenwart.
Theodor Ahlrichs wurde am 15. Dezember der Pfarrer der Stadtkirche
Ich finde heraus, dass die Stadtkirchengemeinde Ahlrichs tatsächlich am 29. September zum zweiten Pfarrer gewählt hatte, und er am 15. Dezember in sein neues Amt eingeführt worden war. Ahlrichs stammte aus Oldorf im Jeverland, wo er am 9. März 1866 geboren wurde.
Nach der Reifeprüfung am Gymnasium in Jever studierte er von 1886 bis 1889 Theologie an den Universitäten Greifswald und Berlin. Zunächst arbeitete er als Hauslehrer in Leipzig, bevor er eine Anstellung an der höheren Töchterschule in Northeim fand. Ahlrichs trat dann in den Dienst der oldenburgischen Landeskirche und war zuletzt Hilfsprediger in Osternburg.
Weihnachtsfeier stellte den Höhepunkt im Jahreslauf dar
1897 wurde er als Pastor nach Eutin berufen, wo er bis zu seinem Wechsel nach Delmenhorst tätig war. Hier an der Delme waren ihm die Aufgaben der inneren Mission, der Krankenhausseelsorge und die Leitung der Kindergottesdienste zugedacht, eines seiner liebsten Betätigungsfelder. Viele Kinder versammelten sich vom Herbst bis zum Frühling an jedem Sonntag um 14 Uhr in der Kirche, wobei die Weihnachtsfeier am zweiten Weihnachtstag in jedem Jahr einen Höhepunkt im Jahreslauf darstellte.
1932 konnte der beliebte Geistliche sein Silberjubiläum als Seelsorger in Delmenhorst begehen, zum 1. Oktober des Jahres 1935 wurde der 69-Jährige, inzwischen von einer schweren Magenerkrankung geplagt, in den Ruhestand versetzt. Er zog mit seiner Frau aufs Altenteil nach Bremen um, wo er im Willehad-Haus des Roten Kreuzes am 27. Mai 1937 seinem Leiden erlag.