Eben war das Meer noch eine glatte, blaue Fläche, auf der das Boot mit den dreizehn Männern ruhig dahinsegelte. Aber von einer Sekunde auf die nächste ändert sich die Lage. Sturm zieht auf. Joris, Leandro und Cinya starren das Bild gebannt an – Augen und Mund weit aufgerissen. Sinas Blick rast nervös über die aufgetürmten Wellen. Luke hält die Anspannung kaum aus, er muss aufspringen und die aufgestaute Energie loswerden.
Das ist eine Geschichte aus der Bibel. „Die Sturmstillung“. Und mit ihr beschäftigt sich gerade die Konfirmandengruppe von Schul-Pastorin Johanna Schröder im Syker Gemeindehaus. Es ist eine kleine und ungewöhnlich gefühlvolle Gruppe. Die Jugendlichen sind Schüler der Erlenschule, alle zwischen 13 und 14 Jahre alt und mindestens geistig beeinträchtigt.
Ihre Interessen, ihr Verhalten und die üblichen Pubertätsdinge sind wie in allen Gruppen von Teenagern. Aber die Leidenschaft, mit der die Konfirmanden in diesen Stunden mitgehen, ist nicht zu vergleichen. Bei Geschichten wie der „Sturmstillung“ oder dem „Verlorenen Sohn“ können die Emotionen schon mal hochkochen.
Unterricht in Gebärdensprache
Johanna Schröder und Saskia Lüning lächeln sich an.Die Sozialpädagogin Saskia Lüning unterrichtet an der Erlenschule, und sie kennt ihre Schüler gut, das ist für den Konfirmandenunterricht hilfreich. Die Mädchen und Jungen haben unterschiedliche Einschränkungen – Cinya und Joris haben das Down-Syndrom, Leandro sitzt im Rollstuhl, einige haben keine klaren Diagnosen und können nicht sprechen. Manchmal hilft Gebärdensprache, meist aber persönliche Erfahrung.
Saskia Lüning kennt die Hintergründe und Eigenarten ihrer Schüler. Sie weiß sofort, was welcher Gesichtszug bedeutet. „Auch diejenigen, die nicht sprechen können, haben im Konfirmandenunterricht ihre Lieblingslieder“, erklärt sie, „und das machen sie auch sehr deutlich.“
„So richtig mit Anzug oder Rock und Sträußchen“
Die Jugendlichen kommen aus Bassum, Syke und kleineren Nordkreisgemeinden im Kirchenkreis. Im September vergangenen Jahres hat der Unterricht begonnen, die Gruppe trifft sich freitags für eineinhalb Stunden.
Der „große Tag“ für die Konfirmanden ist am 1. Mai, 11 Uhr, in der Syker Christuskirche. Und er wird genauso aufregend und feierlich wie bei den Gleichaltrigen aus den anderen Konfirmanden-Gruppen: Alle machen sich schick, „so richtig mit Anzug oder Rock und Sträußchen“, sagt Johanna Schröder. „Wir üben gerade noch, wie das mit dem Abendmahl geht.“
Es ist der vierte Jahrgang von Jugendlichen mit Handicaps, der am 1. Mai konfirmiert wird. „Eigentlich spricht eine eigene Gruppe für Konfirmanden mit Behinderung ja gegen den von der Kirche propagierten Inklusionsgedanken. Dieses ist nur ein Angebot von mehreren“, erklärt Johanna Schröder. „Natürlich können die Kinder auch in eine Gruppe mit nicht-behinderten Konfirmanden gehen. Aber dieses Angebot war ein spezieller Wunsch der Eltern.“