Dutzende Fahrräder hängen an Haken von einer Stange, in den Regalen stapeln sich Boxen mit Werkzeug und diversen Ersatzteilen – die Werkstatt der Schülerfirma Custom Bikes aus Brinkum glänzt mit einem professionellen Aufbau.
Vier Schüler stehen und hocken vor einzelnen Bikes, schrauben routiniert die Bremsbacken fest, stellen die Gangschaltung ein oder checken den geraden Lauf des Hinterreifens. Jeder arbeitet an einem eigenen Rad, die Handgriffe sitzen.
Viel „Learning bei Doing“
„Eigentlich kann jeder von uns alles“, meint der stellvertretende Werkstattleiter Jan Kohlwey. „Aber wenn dann doch mal jemand Hilfe braucht, unterstützen wir uns gegenseitig. Über die Zeit haben wir uns einiges beigebracht.“
Seit August 2014 arbeiten die Jungs im praktisch orientierten Wirtschaftszweig der Kooperativen Gesamtschule Stuhr Brinkum in der Schülerfirma. Damals waren sie gerade in die neunte Klasse gekommen – nun stehen sie kurz vor ihrem Realschulabschluss.
Schülerfirma mit echtem Nutzen für Kunden
Zwei Jahre lang haben sie dann eigenständig eine Firma geleitet. Eine Firma, das ist der Anspruch, die keine Spielerei ist, sondern eine wirklich nützliche Dienstleistung für die Brinkumer bereit stellt.
Kunden bringen ihre Räder dort zur Reparatur vorbei. Die Ersatzteile stammen vor allem aus gespendeten Schrotträdern, die von den Schülern ausgeschlachtet werden. Bezahlt werden muss daher vor allem der Arbeitslohn – 8,50 Euro nehmen die Jungs pro Stunde.
Fahrräder reparieren statt wegschmeißen
„Weil wir so günstig sind, können wir auch manche Arbeiten machen, die sich in den meisten Werkstätten sonst eher nicht lohnen“, erklärt Kohlwey. „Eine Nabenschaltung reparieren, zum Beispiel.“
So gesehen tut Custom Bikes auch etwas für die Nachhaltigkeit. „Statt etwas wegzuschmeißen und neu zu kaufen, bereiten wir die kaputten Dinge wieder auf.“
Neben den Auftragsarbeiten bringen die jungen Mechaniker, auch alte Schrotträder wieder auf Vordermann und bieten sie zum Verkauf an. „40 bis 150 Euro nehmen wir für die Fahrräder – meist sind sie innerhalb von Tagen verkauft“, so Kohlwey.
Rechnungen schreiben im Büroteam
Während in der Werkstatt geschraubt wird, sitzen im Büro auf der anderen Seite des Schulhofs zwei Jungs und basteln an der Homepage der Firma. „Ich hatte keine Ahnung vom Website-Bau, als ich angefangen habe“, erzählt Tjark Witte, „aber im Laufe der Zeit hab ich mich reingearbeitet.“
Das Büroteam hat nicht weniger Aufgaben, als die Jungs aus der Werkstatt. Rechnungen müssen geschrieben, Aufträge angenommen und Mail beantwortet werden.
Lernen in Theorie – und in der Praxis
Die sieben Schüler dieses Teams kümmern sich ums Marketing, haben eigene Flyer designt und stellen die aufbereiteten Fahrräder auf Verkaufsportalen ins Internet ein.
Vieles, was die Schüler in beiden Teams in ihrer Firma an Know-How brauchen, haben sie zunächst in Workshops erlernt. Ein Teil der Kursstunden war damit dem eher klassischen Unterricht vorbehalten, die restliche Zeit floss in die Firma.
Als die Aufträge zunahmen und die Arbeit nicht mehr zu bewältigen war, ergriffen die Schüler Maßnahmen.
„Schüler lernen vor allem Eigenständigkeit“
„Mit einer Abordnung aus Werkstatt- und Büroteam haben wir beim Schuldirektor angefragt, ob die Theoriestunden gestrichen werden können. Zwei Gespräche haben wir geführt, dann war er überzeugt“, erzählt Niklas Schütte.
Kurslehrer Daniel Machadino sieht darin keinen Nachteil. „Das Entscheidende ist, dass sie selber hingegangen sind – denn das wichtigste, was die Schüler hier lernen können, ist wahrscheinlich Eigeninitiative.“
Für einige stellt die Werkstatt Weichen fürs Berufsleben
Wenn das Schuljahr vorbei ist, beginnt für die 14 Realschüler der Schülerfirma ein neuer Abschnitt. Zwei der Jungs aus dem Werkstattteam, Kaan Kaplan und Andree Lampe, haben sich auf eine Ausbildung zum Zweiradmechaniker beworben.
Und Finn Bösselmann vom Office-Team, der in den kaufmännischen Bereich möchte, erzählt: „Im Vorstellungsgespräch haben sie schon gesagt, dass die Erfahrungen aus der Büroarbeit hier ein Vorteil sind.“
Neuer Jahrgang fängt wieder bei Null an
Der Werksttatt erhalten bleiben werden nur die beiden erwachsenen Organisatoren, Machadino von der KGS Stuhr-Brinkum und Appelhagen vom Haus am Wall. Ein neuer neunter Jahrgang wird dann mit ihrer Unterstützung lernen, eine eigen Firma zu führen.
„Der nächste Jahrgang fängt wieder bei Null an. Es ist schade, dass für die Firma so viel Know How verloren geht“, bedauert Appelhagen. „Die Jungs sind in den zwei Jahren mit ihren Aufgaben gewachsen.“
Vielleicht lässt sich in Zukunft, so ihre Idee, schon vorab ein fließenderer Übergang vorbereiten. „Achtklässler, die sich für den praktischen Wirtschaftszweig interessieren, könnten schon einmal Praktika bei dem eingespielten Team absolvieren.“
„Anderes Zusammenarbeiten als im normalen Unterricht“
„Spaß hat die Firma auf jeden Fall gemacht“, zieht Schütte Resümee. „Vor allem, mit den anderen im Team zusammenzuarbeiten.“
„Bei der praktischen Arbeit in Werkstatt und Büro entwickelt sich ein anderes Zusammenarbeiten als im normalen Unterricht“, betont Machadino, „ich werde die Jungs hier schon vermissen.“
Frühlingscheck für fünf Euro
Noch arbeitet das eingespielte Team einige Monate zusammen. Bis dahin können alle Brinkumer noch den Frühlings-Check machen lassen: Für fünf Euro wird das Fahrrad auf Herz und Nieren, beziehungsweise Licht, Reifen und Bremsen geprüft.
Die Kette wird gefettet und für die Kunden gibt es eine erste Fehleranalyse. „Die allermeisten Reparaturen können sie dann gleich hier in Auftrag geben“, so Kohlwey.
Die Werkstatt am Haus am Wall, Bassumer Straße 70, hat immer mittwochs von 12 bis 15.30 Uhr geöffnet. Unter der Nummer 0421 / 80 96 91 16 oder per E-Mail an custombikes.kgs@gmail.com lässt sich das Büroteam erreichen.