Einen erneuten Fehler wollte sich Ortsamtsleiterin Annemarie Czichon nicht erlauben. Sie war es, die im vergangenen Sommer nach einer Patt-Wahl entschiedenen hatte, einen neuen Wahldurchgang durchzuführen, anstatt wie im Beirätegesetz vorgesehen, auszulosen, wer Beiratssprecher wird.
Das hatte zu monatelangen Streitereien geführt, bei denen CDU und Bürger in Wut schließlich vor das Verwaltungsgericht zogen. Im Rahmen eines Vergleichs hatte man sich kürzlich geeinigt: Nun soll doch gelost werden, ob Edith Wangenheim (SPD) oder Waldemar Seidler (CDU) Beiratssprecher wird.
Name von Seidler stand auf dem Gewinnerlos
Papier, Umschläge und Stifte ließ Czichon von Polizist Werner Oltmann überprüfen und verteilen. „Mir war wichtig, dass nicht hinterher unterstellt wird, ich würde was manipulieren“, sagte die Ortsamtsleiterin. Wangenheim und Seidler schrieben jeweils den Namen des anderen auf den Zettel.
Als Czichon den Beiratssprecher zog und der Name Waldemar Seidler auf dem Gewinnerlos stand, ließen die Reaktionen nicht lange auf sich warten.
Mendik formuliert harsche Fragen an Seidler
Christoffer Mendik (Grüne) bemühte sich nicht, seinen Unmut über die Entscheidung zu verbergen. Bereits im Vorfeld der Sitzung hatte er für dieses Szenario drei Fragen an den neuen Beiratssprecher vorbereitet.
In seinen Fragen ging er Seidler harsch an. Er solle erklären, welche Arbeitsweise er als Beiratssprecher an den Tag legen will – und zwar vor dem Hintergrund, dass „Sie sich in den letzten zehn Monaten hier im Beirat vornehmlich um Arbeiten gedrückt haben“.
Bohle-Lawrenz: Fragen „unter der Gürtellinie“
Mendik legte nach. „Werden Sie zu internen Übereinkommen stehen oder weiterhin nach eigenem Belieben Absprachen brechen?“ Außerdem warf er Seidler vor, Vertrauen verloren zu haben, indem er wiederholt Informationen unbefugt an Dritte weitergegeben habe.
„Unter der Gürtellinie“ und „frech“ nannte Karin Bohle-Lawrenz Mendiks Fragen und Vorwürfe. „Es geht nicht, so mit anderen Menschen umzugehen. Das ist verächtlich. Ich bin erschüttert, welches Demokratieverständnis hier herrscht.“
Zuschauerin: „Scheiß-Laden hier“
Noch deutlichere Worte fand eine Frau aus dem Publikum. „Mir ist das zu primitiv. Scheiß-Laden hier“, fluchte sie und verließ prompt den Saal.
Seidler ließ sich die Fragen schriftlich aushändigen, reagierte aber in der Sitzung nur kurz auf die Fragen und Vorwürfe. Eigentlich habe er vorgehabt, den Beirat und seine Mitglieder wieder „zusammen zu bekommen“. „Aber nach dem, was da vorgelesen wurde, sind wir davon wohl ganz weit entfernt.“
Mendik will Neuwahlen beantragen
Auch die unterlegene Edith Wangenheim war mit dem Ergebnis des Losverfahrens nicht zufrieden. „Unter Demokratie verstehe ich etwas anderes“, sagte sie. Wie der Beirat gemeinsam weiterarbeiten will, sei ihr nicht klar.
Ob Seidler tatsächlich Beiratssprecher bleibt, ist indes nicht sicher. Mendik hat angekündigt, unverzüglich die Neuwahl des Beiratssprechers zu beantragen. Sollte es wirklich dazu kommen, stünden die Chancen für Wangenheim wieder gut.
Inwieweit Neuwahlen tatsächlich so leicht möglich sind, konnte die Senatskanzlei noch nicht sagen. Diese Frage müsse man jetzt prüfen, teilte Klaus Krancke von der Senatskanzlei auf Anfrage mit.