Die Müllcontainer am Oldeeoog reichen für den Müll nicht aus. Immobilienverwalter Heuschrecken Investoren von außerhalb kümmern sich nicht um das Viertel Kriminalität steigt Broken-Window-Effekt Huchting Robinsbalje Ghetto Am Oldeoog in Huchting kümmert sich keine Hausverwaltung um richtige Müllabladeplätze – mit der Umgebung verkümmert manchmal auch das soziale Miteinander.
Kriminalität

Ghetto-Debatte Huchting: Polizei ergreift Partei

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Nach einem Ghettovergleich zieht der Weser Report Bilanz - was macht Huchting wirklich aus? Im zweiten Teil der Reihe kommt die Polizei zu Wort. Ihr Urteil: Huchting ist sicher, nur nicht vor Heuschrecken-Investoren.

Vier Polizisten haben sich im Polizeirevier in Huchting getroffen, um mit dem Weser Report über das zu reden, was aus ihrer Sicht den Stadtteil ausmacht. Einig sind sie sich, dass der Stadtteil viel besser ist als sein Ruf. „Beim Ghetto-Vergleich konnten wir nur lachen“, erzählt Rainer Pucknat, Sachgebietsleiter des Polizeireviers. Problematisch seien höchstens einzelne Ecken – und für die hätten die Beamten Lösungsvorschläge.

Spektakuläre Fälle sorgten für Ghetto-Image

In den zwölf Jahren, die ich hier bin, ist Huchting hin und wieder mit etwas „spektakulären“ Fällen aufgefallen“, erzählt Rainer Pucknat, Sachgebietsleiter in Huchting. „2006 etwa haben im Stadtteil Autos gebrannt – die überregionalen Medien haben Huchting dann gleich mit Paris verglichen, wo damals jede Nacht die großen Jugendunruhen stattfanden.“

Die Konzentration auf wenige krasse Fälle habe zu einem Imageproblem geführt – „und wenn dann hier etwas passiert, passt es nach außen hin gleich in ein Raster – die Leute denken hier nicht an einen Einzelfall, sondern versteifen sich bei jeder kleinen Meldung auf ihr Vorurteil von Huchting als Kriminalitätshotspot – oder Ghetto.“

Kriminalität in Huchting im unteren Drittel der Statistik

In Wirklichkeit sei Huchting kein besonders auffälliger Stadtteil – im Gegenteil. „Wir stehen bei Straftaten im unteren Drittel der Polizeikriminalstatistik vom vergangenen Jahr“, klärt der Revierleiter auf.

Die „Kriminalitätsentwicklung 2015 der Abteilung Süd“ vergleicht die angezeigten Straftaten der vergangenen fünf Jahre in den einzelnen Regionen des Bremer Südens. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr, doch Tendenzen lassen sich festmachen.

Über den gesamten Beobachtungszeitraum ist beispielsweise die Anzahl der Taschendiebstähle mit 41 gemeldeten Fällen in etwa gleich geblieben. Die Fahrraddiebstähle haben sich seit 2011 von 360 auf 188 fast halbiert.

Weniger Gewalttaten, mehr Einbrüche von Einzeltätern

Besonders positiv ist die Gewaltentwicklung: Die Zahl der Körperverletzungen auf öffentlichen Plätzen ist von 24 auf 17, die der Raubüberfälle von 16 auf 6 gesunken. „Wenn Leute sagen, sie hätten heute mehr Angst, abends aus der Tür zu gehen, als noch vor fünf Jahren, hat das etwas mit dem subjektiven Empfinden zu tun – tatsächlich hat sich die persönliche Sicherheit in Huchting aber verbessert“, gibt Inspektionsleiter Gerrit Becker zu bedenken.

Gestiegen ist im Vergleich zu 2011 die Menge der Diebstähle an oder aus Autos von 140 auf 209 und die der Wohnungseinbrüche von 147 auf 195. „Das spannende ist, dass es immer wieder solche Serien ganz spezifischer Straftaten gibt“, stellt Pucknat fest.

Als man im vergangenen Jahr jedoch einen Verdächtigen gefasst und inhaftiert habe, ging die Zahl schlagartig nach unten, „eigentlich auf Null“. Dass eine Serie nach einer Festnahme so schnell beendet sei, spreche stark dafür, dass es sich jeweils nur um Einzeltäter handele, so Pucknat weiter.

„Überhaupt keine Auffälligkeiten mit Flüchtlingen“

Eine Sache ist ihm wichtig: „Vor allem haben wir hier in Huchting überhaupt keine Auffälligkeiten mit Flüchtlingen“, betont der Revierleiter. „Da gibt es einfach eine gute Zusammenarbeit zwischen den Kop, den sozialen Trägern und den Stadtteilpolitikern“, lobt Pucknat.

„Auch Vandalismus gegen Flüchtlingsheime müssen wir hier nicht registrieren.“ Noch in den 80er Jahren hatte es eine rechte Szene in Huchting gegeben. „Das hat sich auch gelegt, weil es jetzt mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche im Stadtteil gibt“, erläutert Pucknat.

Müllproblem beschäftigt sogar die Polizei

Kennt Huchting also nur noch Friede, Freude, Eierkuchen? Harald Burhop schüttelt den Kopf. Er ist als Kontaktpolizist für Grolland zuständig – das niemand als Ghetto bezeichnen würde –, aber auch für die Straßenzüge rund um die Robinsbalje.

Burhop zeigt Fotos von völlig überfüllten Müllcontainern am Oldeoog, dutzende Müllsäcke liegen auf der Straße. „Der eine Container, der dort steht, reicht offensichtlich nicht“, so Burhop. „Aber den Vermietern ist das egal.“

„Heuschrecken“ lassen Teile des Stadtteils verkommen

Die Häuser würden von großen Firmen aus ganz Europa verwaltet, die die Immobilien nur als Investitionsobjekt sähen – „echte Heuschrecken“. In den vergangenen drei Jahren gab es vier Eigentümerwechsel. „Keiner investiert hier etwas, was aus dem Viertel wird, interessiert keinen.“

So bröckelt der Putz von der Fassade, in den Häusern gäbe es Probleme mit Schimmel und Wasserleitungen. „Und in der Vergangenheit hat die Hausverwaltung so wenig Heizöl bestellt, dass es im Winter nur für einige Wochen gereicht hat“, erzählt der Kontaktpolizist.

Abwärtsspirale durch schlechten Ruf und Kriminalität

Müll und schlechte Wohnbedingungen – warum ist das Sache der Polizei, was hat das mit Kriminalität zu tun? „Erstens ziehen Wohnlagen mit einem schlechten Ruf nun einmal eher eine problematische Klientel an“, erläutert Burhop.

„Außerdem versuchen alle so schnell wie möglich wieder wegzuziehen, es gibt eine große Fluktuation – das soziale Miteinander leidet sehr.“ In so einem Klima wachse auch Kriminalität.

„Wenn ich mir etwas für das Gebiet wünschen könnte, dann, dass die Gewoba oder die Brebau die Häuser übernimmt“, stellt Burhop klar. „Zwei Jahre, dann wären die Probleme dort erledigt“, prophezeit er.

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