Mit denkbar knapper Mehrheit haben die Briten entschieden: Sie wollen nicht länger Teil der EU sein. 51,9 Prozent der Bürger haben sich für den Brexit entschieden, dem gegenüber stehen 48,1 Prozent, die sich für den Verbleib in der EU ausgesprochen hatten. In Großbritannien deuten sich jetzt schon Konsequenzen an, Premierminister David Cameron, der bis zuletzt für Europa geworben hatte, hat am Freitag seinen Rücktritt angekündigt.
Auch in Bremen ist man traurig über die Nachricht von der Insel: „Ich bedaure diese Entscheidung. Die EU hätte Großbritannien als starken Partner gebraucht, um die in Europa notwendigen Reformen gemeinsam umzusetzen“, sagte Bürgermeister Carsten Sieling (SPD). Europa sei mit enormen globalen Herausforderungen konfrontiert und müsse jetzt enger zusammenrücken.
„Die Menschen in der EU brauchen soziale und wirtschaftliche Stabilität. Es kommt jetzt noch stärker darauf an, ein Europa der Solidarität zu schaffen. Ein starkes Europa, in dem Probleme gemeinsam gelöst werden“, so Sieling weiter. Nichts desto trotz ist der Bürgermeister aber überzeugt: „An den guten Verbindungen zwischen Großbritannien und Bremen wir das Abstimmungsergebnis nichts ändern.“
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„Absatz deutscher Produkte wird zurückgehen“
Auch die Handelskammer hat sich bereits zum Brexit geäußert. „Für die deutsche Wirtschaft, in besonderem Maße aber auch für die Wirtschaft im Land Bremen, ist der Brexit eine schlechte Nachricht. Die Unternehmen müssen sich nun bei einem der wichtigsten Handelspartner auf erhebliche Veränderungen einstellen“, sagte Harald Emigholz, Präses der Handelskammer Bremen.
Rund zehn Prozent der Bremer Exporte gehen laut Kammer nach Großbritannien. Im zurückliegenden Jahr hätten Bremer Unternehmen Waren im Wert von rund 1,6 Milliarden Euro ins Vereinigte Königreich exportiert und einen Warenwert von etwa einer Milliarde Euro importiert.
„Wir müssen nach dem Brexit nun davon ausgehen, dass der Absatz deutscher Produkte in Großbritannien zurückgehen wird. Was jetzt folgt, ist für die Handelspartner Großbritanniens eine schwierige Zeit, weil das Vereinigte Königreich seine Handelsverträge weltweit und auch mit der EU komplett neu aufsetzen muss“, so Emigholz. Die damit verbundene Unsicherheit wird auf beiden Seiten von einer Investitionszurückhaltung begleitet sein, ist sich der Handelskammer-Präses sicher.
„EU muss jetzt auf Fehlersuche gehen“
Entsetzen zieht sich auch durch die Bremer Politik: „Ich bin tief erschüttert. Ich habe wirklich gehofft, es würde reichen. Heute ist ein bitterer Tag für Europa und ich bedaure zutiefst die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger in Großbritannien. Aber es ist ihre Entscheidung, die es natürlich zu respektieren und vor allem ernst zu nehmen gilt“, sagte Henrike Müller, europapolitische Sprecherin der Grünen. Sie betonte, die EU müsse sich jetzt auch überlegen, welche Fehler ihrerseits zu der Entscheidung der Briten geführt habe.
Die Bremer SPD kritisiert vor allem die Parolen der Brexit-Befürworter: „Sie haben genau das erreicht, was ihr Ziel war: Sie haben die Menschen verunsichert und Angst geschürt vor einer angeblichen Bedrohung durch die EU. Auch wenn die Argumente und Zahlen, die die Brexit-Verfechter dabei nannten, oft beweisbar falsch waren – der Schritt raus aus der EU steht nun unumkehrbar fest“, kommentiert die europapolitische Sprecherin Antje Grotheer die Lage.
Jetzt müsse es darum gehen ‚im Guten‘ auseinanderzugehen – im Rahmen eines geordneten Verfahrens, dass der EU-Vertrag in Artikel 50 vorsieht. Binnen zwei Jahren sind jetzt die Modalitäten zu regeln – und ein Abkommen zwischen der Union und dem ausscheidenden Staat auszuhandeln. „Eines ist dabei jetzt schon klar: Der freie Zugang zum Binnenmarkt ist den Briten dann zukünftig mit allen Konsequenzen, auch für den Handel, verschlossen. London müsste mit allen Staaten zu denen Großbritannien Wirtschaftsbeziehungen unterhält, selbst Freihandelsabkommen abschließen“, sagt Grotheer weiter.
Beziehungen seit Jahrzehnten gewachsen
Wirtschaftssenator Martin Günthner verweist auf die gutenBeziehungen Bremens mit den Briten. „Die wirtschaftlichen Beziehungen sind seit Jahrzehnten gewachsen“, so der Senator. Auch seien kurzfristige Einbrüche im Handel mit der Insel nicht zu erwarten.
Eine Zukunftsprognose möchte Günthner allerdings nicht abgeben: „Langfristig sind die Folgen nicht absehbar und auch nicht einzuschätzen.“