Gerade mal einen halben Kilometer lang ist das Kernstück der Pappelstraße. Ein Mikrokosmos, der die Hauptstraßen Langemarckstraße und Friedrich-Ebert-Straße miteinander verbindet und das Flüsseviertel, in dem die meisten Straßen nach fließenden Gewässern benannt sind, in zwei Hälften teilt.
In der Haupteinkaufsstraße der Neustadt ist an diesem Spätvormittag erst mittelmäßig viel los. Bei gutem Wetter flanieren einige Neustädter zum Delmemarkt, auf dem heute etwas weniger Stände aufgebaut sind als an den Hauptmarkttagen.
Gastronomen bereiten sich auf Mittagsgeschäft vor
Die Gastronomen bereiten sich noch auf das Mittagsgeschäft vor. Und obwohl die Busse der Linien 26 und 27 genauso wie viele Autos über die Pappelstraße brummen, scheint das Quartier gerade erst zu erwachen.
Feinkosthändlerin Katrin Wagenitz, die sich selbst lieber Krämerin nennt, steht hinter der Käsetheke ihres Geschäfts. Dort hat die Neustädterin schon als Schülerin ausgeholfen, bevor sie 1999 das Geschäft ihrer Tante ganz übernahm.
Feinkost in Nachbarschaft von Döner und Handys
„Die Pappelstraße ist sehr heterogen“, sagt sie. Stimmt: Direkt neben ihrem kleinen Laden befindet sich ein Döner-Imbiss. Auch ein Handyladen ist nicht weit. Aber spanische Spezialitäten, italienisches Eis, Bücher,
Haushaltswarengeschäft und Naturkosmetik sind in der Umgebung genauso zu haben.
„Wir sind mit dem Stadtteil gewachsen“, sagt Wagenitz über die Pappelstraße. Als sie das Geschäft zur Jahrtausendwende übernahm, war noch nicht klar, wie es sich entwickeln würde. „Damals waren kleine Läden eigentlich kein Konzept“, erinnert sie sich.
Jungen Leuten ist Nachhaltigkeit wichtig
Dass sie in der Neustadt trotzdem funktionieren, liegt in Wagenitz‘ Augen in erster Linie an den Neustädtern. „Der Stadtteil hat sich verjüngt“, sagt sie. Gerade den jungen Leuten sei Nachhaltigkeit oft wichtig. „Essen ist ein Trend geworden“, sagt sie.
Das weiß auch Daniel Wenkel. Wenige Meter weiter baut er gerade mit seiner Frau Amanda einen alten Blumenladen zum Café um. Knochenarbeit, das sieht man ihm an. Am nächsten Tag will er eröffnen. „Die Menschen in der Neustadt sind ein aufgeschlossenes Völkchen“, sagt er.
Neu: Spezialitätenkaffee „ohne Chichi“
Deshalb glaubt er, mit seinem Spezialitätenkaffee, der zwar besonders hochwertig ist, aber „ohne Chichi“ serviert werden soll, an der Pappelstraße punkten zu können. Eine ältere Dame lobt im Vorbeigehen die große Holzbank, die schon vor dem künftigen Café steht. „Das ist eine gute Idee, pfiffig“, sagt sie und wünscht „gutes Gelingen“.
„Das Interesse ist schon jetzt krass“, kommentiert Wenkel. Dass es auch die Kaufkraft der Neustädter ist, die ihn an die Pappelstraße gezogen hat, würde er so nicht unterschreiben. „Aber das Bewusstsein der Leute für Produkte spielte schon eine Rolle.“ Und für den eigenen Stadtteil interessiere man sich eben auch.
Viele Feinkost- und Fachgeschäfte
Gutes Essen wissen die Neustädter offensichtlich tatsächlich zu schätzen. Wer weiter in Richtung Friedrich-Ebert-Straße flaniert, passiert unweigerlich ein traditionsreiches Fischfeinkostgeschäft. Wenige Schritte weiter ließe sich der Einkauf im Käsefach- oder Schokoladengeschäft fortführen.
Karl-Heinz Kuchinke kennt die Pappelstraße seit 45 Jahren, zunächst als Angestellter in einem Eisenwarenladen, seit 27 Jahren als selbstständiger Kaufmann. Haushaltswarengeschäfte wie seines findet man in der Hansestadt nur noch ganz selten.
An der Pappelstraße gibt es noch einzelne Schrauben
Bis heute kann man neben vielen anderen Dingen bei ihm noch einzelne Schrauben und Dübel kaufen. Kunden kämen immer häufiger auch aus den Nachbarstadtteilen
an die Pappelstraße, ist ihm aufgefallen.
Obwohl Kuchinke selbst nicht in der Neustadt lebt, hat er nie über einen anderen Standort nachgedacht. „Es kan nie etwas Anderes in Frage“, sagt er über die Pappelstraße.
Bücherschrank wird genutzt
Auf dem Delmemarkt kramt Cornelia gerade im Bücherschrank, aus dem Passanten kostenlos Bücher mitnehmen oder ihre eigenen Schmöker dort einstellen können.
„Das ist genial, ich nutze ihn täglich“, freut sich die Frau, die gleich um die Ecke mit behinderten Menschen arbeitet. Ein neues Buch über Greifvögel und ein Gesellschaftsspiel nimmt sie heute mit dorthin.
Neue Bücher gibt es an der Pappelstraße auch. Dass inhabergeführte Buchhandlungen ausgestorben seien, will Mitinhaberin Angelika Boughanmi nicht gelten lassen. „Ich glaube, das ist eine vorgefasste Meinung. Ein lebendiger Stadtteil hat auch eine lebendige Buchhandlung.“ Und lebendig, das ist die Pappelstraße zweifellos.