Leere herrscht an diesem Vormittag in dem Stadtteilzentrum im Bremer Norden. Der Brunnen sprudelt vor sich hin, wer einen Parkplatz sucht, findet auch einen – doch in den Geschäften der ehemaligen Einkaufsstraße gibt es nicht viel, was man kaufen könnte, die meisten stehen leer.
Der industrielle Niedergang in Blumenthal hat auch den Handel dezimiert. Doch nicht nur hier, in einigen – nicht in allen – Stadtteilen Bremens kämpfen die lokalen Einzelhändler um die Kundschaft.
Es wird unattraktive Stadtteilzentren treffen
Müssen wir in den Stadtteilzentren der großen Städte mit mehr leer stehenden Geschäften rechnen? „Das müssen wir leider“, sagt Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln. „Für Stadtteilzentren existieren keine validen Prognosen, insgesamt gehen wir jedoch davon aus, dass in den nächsten fünf Jahren bis zu 40.000 Handelsgeschäfte schließen müssen.“ In den Städten werde es die Stadtteile treffen, die jetzt schon unattraktiv seien.
Kai Falk, Geschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE) aus Berlin, sagt dem WESER REPORT: „In aktuellen Umfragen berichten immer mehr Händler von zurückgehenden Kundenfrequenzen.“ Er rechnet sogar damit, dass bis 2020 bis zu 50.000 Handelsstandorte in ganz Deutschland wegfallen könnten.
Zehn Prozent macht Onlinehandel aus
Der demografische Wandel und die Digitalisierung sind für Falk die Haupt-Ursachen des „großen Strukturwandels“. Wobei die Händler Online-Angebote eben auch nutzen könnten, um neue Käufer zu gewinnen. „Die Kunden erwarten, dass der Händler auf allen Kanälen präsent ist“, sagt Falk.
„Inzwischen entfallen fast zehn Prozent aller Einzelhandelsumsätze auf den Onlinehandel, in manchen Produktkategorien sind es bis zu 30 Prozent – dieser Umsatz fehlt auf der Fläche“, stellt Hudetz fest.
Jüngere Konsumenten haben kaum Hemmungen
Die Grenzen verschwinden: „Das Vertrauen der Konsumenten in den Onlinehandel ist mittlerweile extrem groß, insbesondere jüngere Konsumenten haben kaum noch Hemmungen, selbst komplexe Produkte mit Serviceanteil wie etwa Küchen über das Internet zu kaufen“, so der Experte.Nur, wenn die Logistik unverhältnismäßig teuer sei, etwa bei sperrigen, preisgünstigen Produkten im Heimwerkerbereich, gebe es diese Grenzen noch.
Eine Bastion des Handels in den Stadtteilen sind die Lebensmittel. Zu 99 Prozent werden sie vor Ort gekauft, berichtet Falk. „Das liegt wohl zum einen daran, dass die Kunden meist keine weiten Wege zum nächsten Lebensmittelhändler haben, die Nahversorgung also auf einem hohen Niveau ist.“ Und frische Produkte wie Obst und Gemüse wollten die Kunden eben gern vor Ort begutachten.
Freundliches Personal ist gefragt
Aber was muss geschehen, damit die Bürger wieder „vor Ort“, in ihren Stadtteilzentren, einkaufen? Hudetz glaubt, dass gute Beratung ein Faktor sein kann, sie müsse aber „wirklich gut“ sein, denn sie Konsumenten seien heute bestens informiert und anspruchsvoll.
Helfen könnten die „klassischen Stärken des Einzelhandels“: Freundliches, kompetentes Personal, ansprechende Ladengestaltung, gute Auswahl zu angemessenen Preisen und Service – auch für die Stadtteile.
Parkplätze und Nahverkehr in den Stadtteilen
Bleibt ein wichtiger Faktor: „Die Aufenthaltsqualität, sei es in Form von Gastronomie, aber auch Sport- und Kulturangeboten bestimmt die Attraktivität von Stadtteilen ebenso, wie das Parkplatzangebot und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr“, so der IFH-Geschäftsführer.
Sein Fazit: Kunden kommen nicht mehr automatisch in die Stadtteile, sondern nur noch, wenn sie das Angebot an Geschäften und die Rahmenbedingungen als attraktiv erachten. Für HDE-Geschäftsführer Falk sind „Sauberkeit und Erreichbarkeit der Standorte“ zentrale Faktoren – also Parkplätze, guter Nahverkehr und Fahrradwege.