Künstler Johann Behrends lebt in Peterswerder - arbeitet aber in der Neustadt. Fotos: Niemann Künstler Johann Behrends lebt in Peterswerder - arbeitet aber in der Neustadt. Fotos: Niemann
Atelierbesuch

Eine Reise hat ihn zum Künstler gemacht

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Johann Behrends ist nicht leicht zu finden. Der Weg zu ihm führt über das Gelände der Silberwarenmanufaktur Koch & Bergfeld. Dort, am hintersten Ende, wo nichts mehr zu kommen scheint, hat er sein ungewöhnliches Atelier.

Längst nur weiße Werke, sondern auch skurille Plastiken wie diese Keramik entstehen bei Johann Behrends. Foto: Niemann

Längst nur weiße Werke, sondern auch skurille Plastiken entstehen bei Johann Behrends. Foto: Niemann

„Ich wusste früher gar nicht, dass ich ein Pferdeliebhaber bin“, sagt Behrends lachend. Mit einem Basecap hat er seine grauen, schulterlangen Locken gebändigt und steht in seinem mehr als rustikalen Atelier am Kirchweg, mit den Füßen auf Sägespänen und einer Pferdeplastik in der Hand.

Komfort fehlt in der ehemaligen Schlosserei aus dem 19. Jahrhundert. Auch im Winter arbeitet Johann Behrends ohne Heizung – die ist aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt. Ohne Strom allerdings geht es nicht, schließlich sind Holzskulpturen, teils übermenschengroße, ein Schwerpunkt in Berends Arbeit – ohne Motorsäge wäre der Künstler aufgeschmissen.

Skulpturen aus Planken

Auch die Pferde sind aus Holz. Durch die weiße Acrylfarbe, mit der Berends sie bemalt hat, sehen sie  gerade von weitem aber fast wie Gips aus. „Welches Holz das ist, ist mir egal“, sagt der Bildhauer. Die Pferde zum Beispiel hat er aus langen Holzbohlen geschnitzt, die er im Holzhafen gekauft hat.

Weil die Planken keine besondere Tiefe haben, sind auch Berends Pferde ziemlich flach. „Das kann eine Herausforderung sein“, sagt Behrends. Ein Pferd hat seinen Kopf extrem dem Betrachter zugewandt, weil das Material nicht das nötige Volumen hatte, um einen Pferdekopf von der Seite modellieren zu können.

Wohnen in Peterswerder, arbeiten in der Neustadt

„Dadurch kriegt es einen eigenen Witz“, sagt Behrends. Kopf zu groß, Ohren zu lang, für den Künstler kein Problem. „Das soll ja nicht nur das Abbild eines Pferdes sein, sondern ein Eigenleben gewinnen“, erklärt er.

Seit 20 Jahren arbeitet der 66-Jährige aus Peterswerder in seinem Atelier auf dem Gelände von Koch & Bergfeld. Auf dem Gelände liegen inzwischen einige Gebäude brach. In der Silberwarenmanufaktur arbeiten nur noch 20 Menschen. Früher waren es einmal fast 1.000.

Über einen Umweg in die Kunst

Behrends ist als Untermieter geblieben. Über eine Künstlerkollegin hat er damals das Atelier am Kirchweg gefunden, früher noch in einer benachbarten Halle, die inzwischen längst abgerissen ist.

„Bildhauerisches Arbeiten erfordert Energie“, sagt Behrends. Deshalb ist er oft in der Neustadt, obwohl er auch auf der anderen Weserseite noch ein Malereiatelier unterhält. Gerade beim Bildhauen müsse er aber regelmäßig vor Ort sein. „Sonst kommt man aus dem Tritt.“ In seinem Atelier entstehen Hasen, Affen, Gesichter – häufig auch mit skurrilem Anstrich.

„Die schlimmste Zeit meines Lebens“

Der 66-Jährige hat die Kunst erst über einen Umweg entdeckt. Drei Jahre lang Lehre zum Großhandelskaufmann waren „die schlimmste Zeit meines Lebens“. Zwar sei es damals bemerkenswert gewesen, einen Job zu haben, bei dem man nicht nur saubere Hände behält, sondern auch 40 Jahre sichere Arbeit vor sich hatte. Aber für Behrends war das nichts.

Er ging mit seinen Ersparnissen erst einmal auf Reisen, nach Spanien und Marokko per Anhalter. „Und dann ging es nicht mehr, im Büro zu arbeiten.“

Erst mit 41 Jahren ausstudiert

Atelier von Johann Behrends

Atelier von Johann Behrends

Obwohl er mit Kunst damals noch gar nichts zu tun hatte, schrieb sich Behrends an der Kunstfachschule in Ottersberg ein, wurde Diplom-Kunstpädagoge und hängte noch ein Studium in Freier Kunst an der Bremer Hochschule für Künste hinten dran.

Der gebürtige Ostfriese, der in Oldenburg aufgewachsen ist, war erst mit 41 Jahren ausstudiert. Er hat schon in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen in der Bildhauerwerkstatt gearbeitet, ist seit über 20 Jahren freier Mitarbeiter des Überseemuseums, wo er Holzschnittkurse für Erwachsene gibt und das Bildhauern Schülern beigebracht.

Landschaftstisch aus Vulkangestein

Gleichzeitig produziert er aber auch selbst Werke. Die erste große Nummer war für Behrends ein Landschaftstisch aus Vulkangestein, den er in Schönebeck an der Elbe gestalten durfte. 4.000 Euro gab es für die sechswöchtige Arbeit.

„Das ist ein klassisches Bild, um sich als Künstler finanziell über Wasser zu halten“, sagt Behrends. Unterrichten einerseits, künstlerisch zu produzieren andererseits. „In Kursen ist man aber immer der Gebende“. Deshalb kann er sich ein Leben ohne freie Kunst nicht vorstellen. Sie fülle seine Batterien, sagt er. „Leidenschaft gibt es eben nur, wenn man es selbst macht.“

Der Text erscheint im Rahmen der Reihe „Künstlerviertel Neustadt“

 

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