Polizisten können nicht immer sofort unterscheiden, um welche Waffe es sich handelt. Das birgt große Gefahren. Foto: WR
316 kleine Waffenscheine sind bis Ende Juni 2016 vom Bremer Stadtamt ausgestellt worden. Im ganzen Jahr 2015 hatte das Stadtamt nur 104 Scheine herausgegeben, wie es auf Nachfrage mitteilt.
Inhaber des kleinen Waffenscheins dürfen Schreckschusspistolen, Reizstoffwaffen und Signalpistolen anschaffen und in der Öffentlichkeit mit sich führen. Wer in Bremen einen Schein beantragen möchte, darf nicht vorbestraft und muss geschäftsfähig sein. Außerdem dürfen Antragsteller nicht alkoholabhängig oder psychisch krank sein.
„Das ist eine besorgniserregende Entwicklung“, kommentiert Ines Roddewig, Sprecherin der Bremer Polizei, den starken Anstieg. „Wir sprechen uns grundsätzlich gegen eine Bewaffnung der Bevölkerung aus. Täter könnten im Affekt die Waffen entreißen und gegen den Besitzer richten“, so Roddewig.
Zudem könnten Polizisten oft nicht sofort erkennen, um welche Waffe es sich handelt. „Eine Eskalation der Situation ist wahrscheinlich“, fürchtet die Sprecherin.
„Waffe schafft nur Illusion von Schutz“
Eine Erklärung für den Anstieg der ausgestellten Waffenscheine hat der Psychiater Prof. Borwin Bandelow, Experte für Angsterkrankungen an der Uni Göttingen. „Die Menschen sind seit den Vorfällen in Köln unsicher, dort hatten sie das Gefühl, dass die Polizei ihnen nicht helfen kann, wenn sie in der Stadt unterwegs sind. Das führt zu einer Überreaktion“, so Bandelow.
Der Besitz einer Waffe schaffe den psychologischen Scheineffekt, dass sich die Menschen sicher fühlen.
Auch das Verhalten von Politik und Polizei sieht Bandelow als Ursache: „Wenn die Polizeigewerkschaft notorisch erzählt, sie brauche mehr Beamte, oder die Politik das immer wieder fordert, hinterlässt das bei dem Bürger das Gefühl, er müsse sich selbst bewaffnen oder braucht eine Bürgerwehr“, so der Professor. Mit der Waffe schaffe man sich aber nur die Illusion von Schutz.
Bandelow sagt, das Sicherheitsgefühl der Menschen wieder herstellen, könnten nur Maßnahmen wie zusätzliche Polizeipräsenz, auch wenn das nicht unbedingt Straftaten verhindere.
Opposition fordert Besserungen für Polizei
Eine bessere Ausstattung der Polizei fordern auch Linke, FDP und CDU vom Bremer Senat. „Das Vertrauen der Bürger in den handlungsfähigen Rechtsstaat hat abgenommen“, sagt Dr. Thomas vom Bruch, stellvertretender Fraktionsvorsitzende der CDU.
Die Lösung dafür kann und darf aus Sicht der CDU daher nur sein, Vertrauen zurückzugewinnen: „Durch eine handlungsfähige und angemessene ausgestattete Polizei, dem in Bremen durch Rot-Grün in den vergangenen Jahren keine Rechnung getragen worden ist“, so vom Bruch.
Matthias Koch von der SPD sagt, man beobachte die Entwicklung kritisch und prüfe, ob man gesetzlich oder aufklärerisch handeln müsse.
Gesetzesänderung laut FDP nicht notwendig
Wohin der Besitz einer Schreckschusswaffe führen kann, zeigt laut Kristina Vogt, Fraktionsvorsitzende der Linken, der Fall von der Tiefer: „Dort hat im März ein Polizist in Notwehr ein Mädchen mit drei Schüssen schwer verletzt, nachdem ein Schuss aus einer Schreckschusswaffe aus der Wohnung abgegeben worden war.“
Vogt glaubt, dass die Unsicherheit der Bürger auch durch „hochgeschraubte Diskussionen in der Politik“ mit verursacht worden sind.
Eine Gesetzesänderung muss es aus Sicht der FDP nicht geben. „Die Nutzer bewegen sich im rechtlich zulässigen Rahmen und verhalten sich nur abwehrend defensiv. Es gibt keine wesentlichen signifikanten Vorfälle, dass diese Waffen aggressiv und mit Verletzungsabsicht eingesetzt werden“, sagt der innenpolitische Sprecher Peter Zenner.
