Wohnblock in der Neuwieder Straße in Tenever. Foto: WR Blick auf ein Hochhaus in Bremen-Tenever. Foto: WR
WiN-Foren

Verwaltung soll anstelle von Bürgern entscheiden

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4,35 Millionen Euro - über die Verwendung dieser Summe kann jeder Bremer mitentscheiden, wenn er in einem Quartier wohnt, das zu "Wohnen in Nachbarschaften" gehört. Immer häufiger gibt es dabei aber jetzt Probleme.

Wenn in den sogenannten WiN-Foren, an denen jeder Bremer teilnehmen darf, darüber entschieden wird, welche gemeinnützigen Projekte mit öffentlichen Geldern unterstützt werden, ist die oberste Regel: Es muss einen Konsens geben. Legt nur ein Forums-Besucher ein Veto ein, geht das jeweilige Projekt leer aus.

Seit Ende der 1990er-Jahre gilt dieses Konsens-Prinzip. Aber gerade in der jüngeren Vergangenheit sorgt es immer häufiger für Probleme. „Das soll in Hemelingen besonders ausgeprägt gewesen sein“, sagt Dr. Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts. Und das bestätigt auch der Hemelinger Beiratssprecher Uwe Jahn.

Einzelne verhindern Entscheidungen

Einzelne Besucher der Sitzungen hätten „teils offen rassistisch“ gegen einzelne Projekte gestimmt, als es zum Beispiel um den Antrag einer Moschee ging, Hausaufgabenhilfe im örtlichen Bürgerhaus anzubieten. „Das sind nur sehr wenige Personen, aber in einem Konsensprinzip reicht das“, sagt Jahn.

Die WiN-Geschäftsführung hat als Reaktion darauf jetzt die Geschäftsordnung geändert – und das sorgt für massive Kritik bei Stadtteilpolitikern. Denn: Gibt es künftig keine einstimmige Meinung, kann das WiN-Forum die Entscheidung an die WiN-Geschäftsführung, und damit an die Verwaltung, abgeben. Statt im Stadtteil, fällt die Entscheidung dann in der Behörde.

Kritik von Stadtteilpolitikern

„Das ist der Ausstieg aus dem basisdemokratischen Konsensprinzip“, kritisiert Jahn. Zwar löse die neue Regelung das Problem, dass einzelne Personen Projekte aufhalten, die im Stadtteil eigentlich eine Mehrheit hinter sich haben.

Dass künftig aber Verwaltungsmitarbeiter das letzte Wort haben sollen, stört ihn. „Die Vergabe von Geldern kann vielleicht von gewählten Vertretern in der Stadtbürgerschaft entschieden werden, aber nicht von der Verwaltung.“

Ähnlich sieht es Stefan Markus, Sprecher der Beirätekonferenz und des Beirats Obervieland. „Das geht überhaupt nicht und führt alles ad absurdum“, sagt er über die Geschäftsordnungs-Änderung. „Das eigentliche Pfund für die Bürger war doch das Konsensprinzip.“ Für Querulanten müsse es Einzelfall-Lösungen geben.

Vorschlag: Geschäftsordnungs-Ausschüsse

Markus schlägt vor, dass die einzelnen WiN-Foren, die es in 14 Bremer Quartieren gibt, einmal jährlich einen Geschäftsordnungs-Ausschuss benennen, die im Konfliktfall dafür sorgen, dass die Geschäftsordnung eingehalten wird. „Rassistische Töne und respektloser Umgang sind ohnehin nicht zugelassen“, sagt er.

Was ihm aber – wie auch Jahn – nicht passt, ist, dass künftig bei Uneinigkeit die Verwaltung über die Finanzierung von Projekten entscheiden soll, über die es im Stadtteil keinen Konsens gibt. Seiner Meinung nach haben die gewählten Beiratsmitglieder eher einen Anspruch, Einfluss zu nehmen.

Markus kündigt Einmischung des Beirats an

Dass sie sich bisher nicht in die Vergabe von WiN-Mitteln (bremenweit insgesamt 1,75 Millionen Euro), Mitteln aus dem Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“ (insgesamt 600.000 Euro) und aus dem Programm „Soziale Stadt“ (2 Millionen Euro) eingemischt haben, liege am bisher geltenden Konsensprinzip. „Wenn alle dafür sind, warum sollte der Beirat dann dagegen sein?“, sagt er.

Wenn jetzt aber auch Projekte finanziert werden, für die es eigentlich keinen Konsens gibt, liege die Sache anders. „Dann wird sich der Beirat Obervieland mehr einmischen“, kündigt Markus an.

Sozialressort sieht Vorteil in Änderungen

Bernd Schneider bewertet die Geschäftsordnungsänderung völlig anders. „Das ist eine Verbesserung der Situation, keine Verschlechterung.“ Bei einer Zwei-Drittel-Mehrheit könne jetzt schließlich die WiN-Geschäftsführung eingeschaltet werden, so dass für den Stadtteil wichtige Projekte trotz einzelner Gegenstimmen gefördert werden.

Die Kritik, die Stadtteile würden damit einen Teil ihrer Entscheidungskompetenz an die Verwaltung verlieren, kann er nicht verstehen. „Die formal letzte Entscheidung lag schon immer bei der Geschäftsführung.“

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