Morgens aufstehen und frühstücken, entweder vormittags oder für manche auch erst nachmittags geht es zur Schule, mittags wird gekocht und gegessen, dann kommen die Hausaufgaben und ab 17 Uhr gibt es Freizeit. Besonders spektakulär ist der Tagesablauf der 44 jungen Flüchtlinge, die derzeit im Landgraf an der Grenze zu Delmenhorst leben, eigentlich nicht.
Zwei von den Jungen haben bisher allerdings keinen Schulplatz bekommen. „Wir versuchen, ihnen privaten Unterricht zu ermöglichen“, so Birgit Struß, die pädagogische Leiterin in der Einrichtung, die von der Akademie Kannenberg geführt wird.
Bei einer großen Veranstaltung zur Flüchtlingsunterkunft „Landgraf“ für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erzählte Struß den Huchtinger Bürgern einiges über die Bewohner und das Konzept des Heimes, bevor es in die Diskussion gehen sollte.
Flüchtlinge mussten fast ein Jahr in Turnhalle leben
Von den 44 jugendlichen Flüchtlingen, die bisher in den Landgraf eingezogen sind, kommen 25 aus Afghanistan, neun sind aus Syrien, fünf kommen aus Gambia, drei aus Guinea und jeweils einer aus dem Irak und Eritrea.
Die Gruppe ist überwiegend seit November 2015 zusammen. Die meisten der Jugendlichen, die ohne ihre Eltern nach Deutschland geflüchtet sind, mussten seit September 2015 in Turnhallen leben. Viele von ihnen waren zudem für die vergangenen beiden Monate erneut im Erstaufnahmelager untergebracht. Nun also „haben sie endlich einen festen Platz gefunden, ein Zuhause“, so Struß.
Jugendliche sollen in Wohngruppen Selbständigkeit lernen.
Bisher leben nur im Obergeschoss des Landgraf Jugendliche – das Erdgeschoss und das Souterrain sind noch nicht fertig saniert. Geplant ist, dass ab Ende September nach und nach weitere 44 jugendliche Flüchtlinge einziehen. Woher diese kommen werden, steht aber noch nicht fest.
Die Jungs leben in dem ehemaligen Hotel in Kleingruppen von sechs bis zwölf Mitgliedern. „Wir versuchen vor allem, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, und alle Bewohner auf ein selbständiges Leben vorzubereiten“, erzählt die pädagogische Leiterin.
„Die älteren wohnen in Einzelzimmern im Obergeschoss, kochen alleine und bekommen schon sehr leckere Gerichte hin.“ Die Jüngeren bekommen beim Einkaufen und Kochen noch Unterstützung. Wer 18 ist wird nicht automatisch rausgeworfen. Allerdings kann das vorkommen, wenn der Bewohner entweder als sehr reif angesehen wird, oder die Hilfen zur Erziehung nicht annimmt.
Junge Menschen brechen auch mal Grenzen
Auf 2,3 junge Menschen kommt derzeit eine Betreuungsperson. Nicht alle sind immer gleichzeitig vor Ort sind, sondern wechseln sich in Schichten ab. Nachts gibt es einen Bereitschaftsdienst sowie eine Nachtwache.
„Trotzdem kommt es vor, dass die Jungs ihre Schlafzeiten um 22, beziehungsweise um 23 Uhr, nicht akzeptieren, sondern sich noch mal rausschleichen“, gibt Struß zu. Auch Probleme mit lauter Musik könnte durchaus noch vorkommen – „es sind halt Jugendliche“.
Nachbarschaftshilfe im Landgraf ja – aber nur nach Absprache
Nachbarschaftshilfe ist gerne gesehen: Die Bewohner des Landgrafen brauchen alte Fahrräder und würden sich über die Aufnahme im Sportverein freuen. Denkbar ist auch, dass Ehrenamtliche Lese- und Hausaufgabenhilfe geben, oder zu Spieletagen vorbeikommen.
Spontan geht das aber nicht: „Der Landgraf ist das Zuhause der Jugendlichen, da kann man nicht einfach reinspazieren“, erklärt Struß einem eifrigen Helfer. „Ihre Privatsphäre müssen wir schützen.“