Stuhrs Bürgermeister Niels Thomsen ist, so seine Worte, „perplex – ich habe kein schönes Wochenende gehabt.“ Am Freitagabend hatte das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg entschieden, dass das Land Niedersachsen die falsche Rechtsgrundlage für die Planung verwendet hatte.
Statt nach dem Personenbeförderungsgesetz verlief das Planfeststellungsverfahren nach den Vorgaben aus dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Verantwortung liegt bei der Landesbehörde für Verkehr
„Seit ich vor elf Jahren als Bürgermeister angefangen hat, habe es immer geheißen, man baue eine Straßenbahn auf Eisenbahnschienen“, erinnert sich Thomsen. Er habe die gewählte Rechtsgrundlage daher auch selber nie in Frage gestellt.
Verantwortlich sind in diesem Fall aber ohnehin nicht die Gemeinden, sondern die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. Thomsen und sein Weyher Amtskollege Dr. Andreas Bovenschulte wissen daher auch nicht, wie es konkret weitergehen wird. „Zwar sind wir die Hauptbetroffenen – aber wir können nichts tun“, erklärt Thomsen.
Gesetz schließt die Anwendung für Straßenbahn klar aus
Die Behörde, so der Bürgermeister, müsste eigentlich Erfahrung mit Verkehrsprojekten dieser Art haben. Behördensprecherin Heike Haltermann erklärt dazu: „Da eine Eisenbahninfrastruktur vorhanden war und vor allem, weil auch künftig auf dem vorhandenen Gleis Eisenbahninfrastruktur weiter betrieben werden soll, gab es gute Gründe, das AEG als Rechtsgrundlage zu wählen.“
Aber hätten die Verantwortlichen in Niedersachsen nicht doch wissen können, dass die Grundlage falsch war? Immerhin heißt es schon in §1, Absatz 2, des AEG: „Dieses Gesetz gilt für Eisenbahnen. Es gilt nicht für andere Schienenbahnen wie Magnetschwebebahnen, Straßenbahnen und die (…) ähnlichen Bahnen.“
Neuer Planfeststellungsbeschlusses könnte Jahre dauern
Das Gericht hat keine Revision seines Urteils zugelassen. Sobald die schriftliche Urteilsbegründung kommt – in etwa zwei Wochen – will die Behörde entscheiden, ob man eine sogenannte „Nichtzulassungsbeschwerde“ einlegt.
Ansonsten bleibt der Landesbehörde nur, den Planfeststellungsbeschluss neu aufzustellen – und zwar komplett neu. „Da der Planfeststellungsbeschluss aufgehoben worden ist, können keine nachträglichen Änderungen vorgenommen werden“, teilt Haltermann mit. Eine Neuaufstellung wird wohl mindestens eineinhalb Jahre dauern.
Gegner fordern, das Projekt komplett zu überdenken
Die Partei Besser fordert aus diesem Anlass, das gesamte Projekt neu zu überdenken. Sie schlägt eine alternative Streckenverlängerung der Linie 5 von Huckelriede nach Brinkum oder, im Rahmen einer möglichen Untertunnelung des Flughafens für den Bau der B6n, eine unterirdische Verlängerung der Linie 6 .
Die Verantwortlichen in Stuhr, Weyhe und Bremen zweifeln dagegen trotz des Rückschlags nicht am Sinn und Zweck des gesamten Projekts: „Wenn man sieht, wie häufig sich hier beim Pendeln zur Arbeit lange Staus entwickeln, ist es einfach sehr, sehr wichtig, eine Alternative zu entwickeln“, so Thomsen.
In Bremen und Stuhr hält man an der Straßenbahn fest
Außerdem habe das Gericht auch nicht am Sinn des Vorhabens gezweifelt, sondern nur einen formalen Aspekt bemängelt. „Das Urteil wird das Projekt weiter in die Länge ziehen“, bedauert Thomsen. „Blöd – aber es geht weiter.“
„Wir sind weiterhin der festen Überzeugung, dass die Linie 8 ein sinnvolles Projekt für Niedersachsen und Bremen ist“, sagt auch Jens Tittmann, der Sprecher des Bremer Bausenators. Ansonsten hält er sich mit Aussagen noch zurück: „Wir warten erst auf die schriftliche Urteilsbegründung“, so Tittmann.
Müssten Stuhr und Weyhe Planungskosten übernehmen?
Einer der Gründe, warum es für Stuhr und Weyhe gefährlich sein könnte, die Planung nicht weiterzuführen, ist eine Abmachung zwischen den drei Partnergemeinden: Wenn einer der Vertragspartner seinen Teil der Vereinbarung nicht einhält, muss er die bis dahin entstandenen Planungskosten der anderen Partner übernehmen.
Bürgermeister Thomsen glaubt allerdings, dass das Gerichtsurteil kein Grund für die Anwendung der Kooperationsvereinbarung wäre: „Das gilt nur, wenn es etwa nach der Wahl eine Entscheidung geben sollte, die Planung aufzugeben“, sagt er.