Lange arbeitete Görzel-Straube als Waldorf-Lehrerin. Heute ist sie Heilpraktikerin für Psychotherapie und Traumapädagogin. Sie lebt in Fischerhude. Ihre Kenntnisse brachte sie in den vergangenen Jahren häufig in den Krisenzentren dieser Welt ein, immer da, wo Menschen in Not geraten sind: Nach dem Tsunami 2011 in Japan, nach dem Erdbeben in Nepal, häufig in Gaza – und zuletzt des Öfteren in der autonomen Region Kurdistan im Nordirak.
Arbeit mit Kindern im Fokus
Dort arbeitet sie in den Flüchtlingscamps Bersive Eins und Zwei und in Chamishko. Letzteres beherbergt etwa 36.000 Menschen, die ersten beiden rund 32.000. Nur etwa 60 Kilometer von der Millionenstadt Mossul, derzeit in der Hand des Islamischen Staates (IS), finden sich dort hauptsächlich Jesiden ein, zur Hälfte Kinder.
Kinder stehen auch im Fokus der Organisation „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners“, für die Görzel-Straube ihre ehrenamtlichen Einsätze absolviert. Die Camps bestehen aus Zelten. Strom und Wasser ist mal da, mal auch nicht. „Die Versorgung reicht für das Notwendigste“, so Görzel-Straube.
Kaum Arbeit, wenig Bildung
Im Sommer hat es über 45 Grad, kaum Schatten. Im Winter regnet es viel, Wasser dringt in die Zelte. Kaum jemand habe Arbeit. Schulen gibt es, mit Lehrern, die meist selbst geflohen sind. Deren Motivation sei allerdings häufig schlecht, da sie in der Regel keine Bezahlung erhalten – „Bildung findet im Prinzip nicht statt“.
In den Camps arbeitet Görzel-Straube nicht nur mit Kindern, sondern bildet lokale Mitarbeiter für die Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen aus. In den sogenannten Kinderschutzzentren in den Camps können zwar nicht alle Kinder aufgenommen werden, insgesamt aber rund 350.
Zum ersten Mal einen Akkuschrauber in der Hand
Mit ihnen wird gezeichnet, gemalt und gesungen – die Arbeit umfasst auch erlebnispädagogische Bereiche und vieles mehr. Die lokalen Arbeiter lernen auch viel, indem sie anfangs zuschauen.
Die Jugendlichen hätten für ihr Alter schon viel erlebt, musizieren und spielen sei daher nicht immer das Richtige.
So hat Görzel-Straube einem 15-Jährigen gezeigt, wie man Regale baut – mit einer Stichsäge und einem Akkuschrauber. Beides hatte er noch nie zuvor in der Hand gehalten. Schon am nächsten Tag habe er zehn anderen Jugendlichen gezeigt, wie man Regale baut. „Das war wunderschön“, erinnert sich die Pädagogin.
Einsätze in Kurdistan nicht ungefährlich
Fortschritte erkenne sie im Laufe der Zeit häufiger: Anfangs seien die Kinder oft „scheu, aggressiv und verwahrlost“. Mit der Zeit nehme aber die Aggressivität ab, sie werden offener und das strahle sogar auf die Familien ab. Das helfe auch bei der Akzeptanz für ihre Arbeit vor Ort. „Die Leute sind nicht gewohnt, wie wir arbeiten. Aber irgendwann merken sie: Wow. Das tut den Kindern gut.“
Ungefährlich sind die Regionen, in denen Görzel-Straube arbeitet, nicht. Gerade die Entwicklungen in Mossul: Eine Befreiungsaktion der Stadt vom IS wird seitens der „Freunde der Erziehungskunst“ zeitnah erwartet. Dann wäre in den Camps mit weiteren traumatisierten Opfern zu rechnen. „Ich fühle mich sicher“, sagt Görzel-Straube, „aber man weiß nie was in einer Stunde passiert. Untergründig wabert das schon in einem“.
Weiter geht’s im November
Der nächste Einsatz steht voraussichtlich im November an. Noch ist nicht sicher wo. In Kurdistan hängt viel an der Entwicklung in Mossul. Welche humanitären Katastrophen sich bis dahin in der Welt ereignen, lässt sich ohnehin nicht prophezeien. Aber es wird sicher traumatisierte Kinder geben, die Hilfe brauchen.
Mehr Infos über die Arbeit der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners unter www.freunde-waldorf.de