„Das wurde Zeit“, meint Matthias, schaut in den Spiegel und lächelt. Soeben hat er sich von einer ehrenamtlichen Friseurin die Haare schneiden und rasieren lassen. „Mit kurzen Haaren sieht es schneller nicht mehr gut aus“, sagt er noch. Dann steht er auf und geht weiter – er will sehen, was es noch so gibt am Wohlfühlmorgen in der St.-Johannis-Schule.
Jedes Jahr kommen mehr Besucher zum Wohlfühlmorgen
Seit fünf Jahren bieten die Caritas, die Malteser und die Schule die Aktion an, bei der sich Obdachlose einen Vormittag lang verwöhnen lassen können – so das Konzept. Es gibt Frühstück, einen Friseur und einen Massagesalon, neue Unterwäsche und ärztliche Betreuung.
Jedes Jahr werden es mehr Besucher. „Aber schließlich wächst auch die Zahl der Wohnungslosen in Bremen“, so Cornelius Peters von der Caritas. Längst nicht alle Gäste aber sind obdachlos. Viele sind einfach bedürftig und nutzen die Unterstützung, die sich heute bietet.
Bei Massagen menschliche Berührung genießen
So geht es auch Marietta. Die Pianistin hat sich bei ihrer Arbeit in einer Brotfabrik den Rücken kaputt gemacht – wegen ihrer Schmerzen kann sie nicht mehr arbeiten und lebt von einer kleinen Rente. Heute will sie sich eine Shiatsu-Massage gönnen. „Ich hoffe, das hilft ein wenig“, sagt sie.
In dem Klassenzimmer mit den Massageliegen ist die Stimmung ganz ruhig. Dagmar Boetcher zieht gerade sanft an den Beinen ihrer Klientin, ihre Kollegin massiert die Hände einer anderen Besucherin.„Viele Menschen werden selten angefasst. Das fehlt dann – hier erfahren wir eine große Dankbarkeit“, erzählt Boetcher. „Oh ist das herrlich“, ruft da gerade eine Besucherin in der anderen Ecke des Raumes. „Ich bleibe hier gleich liegen.“
Hunde mussten 2017 draußen bleiben
Nicht alle können sich die Zeit nehmen, sich frisieren zu lassen oder eine Massage zu genießen: Draußen, vor der Tür der Schule, begnügt sich eine kleine Gruppe mit Hunden nur mit ein paar mitgenommenen Brötchen aus dem Frühstücksraum.
Früher kam auch ein Tierarzt beim Wohlfühltag vorbei, einige Obdachlose sind extra deswegen gekommen. Dieses Jahr aber ging das nicht – aus hygienischen Gründen wurden keine Hunde in der Schule zugelassen.
Für obdachlose Hundehalter ist der Besuch kaum möglich
„Man muss das verstehen, das ist nicht böse gemeint“, sagt einer der Männer. „Aber scheiße ist es trotzdem“, fällt ihm „Grinch“ ins Wort. Er deutet auf seinen kleinen Mischling „Pinsel“. „Den hier kann ich doch nicht mal beim Einkaufen alleine lassen“, sagt er.
„Für Hundehalter ist der Besuch des Wohlfühlmorgens so nicht möglich“, klagt auch Gaby Schwab vom Bremer Tierschutzverein. „Das ist eigentlich nicht der Sinn der Aktion.“
Beim Frühstück keine Luxus-Version
Innen, im Frühstücksraum sitzen derweil dutzende Männer und Frauen an den Tischen, für sich oder in Gruppen, schmieren sich Brötchen und quatschen. Alle zwei Minuten kommt einer der zwanzig ehrenamtlichen Schüler der Schule vorbei, und fragt die Gäste, ob sie noch etwas wollen.
Das Frühstück wird vom Atlantic Grand Hotel gespendet – das bedeutet aber nicht, dass Lachs oder Omelett zu finden sind. Es gibt Wurst, Käse und Marmelade – einfache Kost.
„Das ist eine gute Aktion, aber man muss sich auch keine Wunder darunter vorstellen“, so Hendrik. Der Bremer ist zum ersten Mal dabei, schließlich ist er erst seit einem Jahr obdachlos. Der Tod seiner Mutter hatte ihn aus der Bahn geworfen – erst verlor er seinen Job als Maler, dann versäumte er es, sich beim Arbeitsamt zurückzumelden.
„Hier kümmert sich jemand“
Hendrik deutet auf drei Plastiktüten. „Meine Küche, mein Schlafzimmer, mein Wohnzimmer“, sagt er. Richtig klagen will er nicht. „Den Winter habe ich jetzt schon fast um – nur auf ewig will ich das nicht so weitermachen.“
Er lobt, dass es Angebote für Obdachlose gibt – wie etwa den Wohlfühltag. „Immerhin ist jemand da, der sich kümmert – das haben Leute, die zwar nicht auf der Straße leben, aber trotzdem vom Leben verarscht werden, manchmal nicht.“
Ehrenamtliche Helfer im Alltag gesucht
Der Wohlfühlmorgen, das ist die Ausnahme: Einmal im Jahr gibt es dieses große Programm mit insgesamt 40 Ehrenamtlichen und vielen Spenden. Die Suppenküche, der Waschsalon und die Nacht-Schlafstellen – das ist der Alltag, sowohl für die Obdachlosen, als auch für die engagierten Helfer.
Denn Hilfe wird immer benötigt – jeden Tag. „Aktuell suchen wir dringend Ehrenamtliche für die neue „Johannis-Oase“, erklärt Peters von der Caritas. „Dort können sich Obdachlose duschen und ihre Wäsche waschen.“ Wer sich engagieren möchte, kann sich hier informieren.