„Es ist etwas passiert, was ich das letzte Mal vor 15 Jahren erlebt habe“, erklärt Helmut Scherbeitz, Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung in Oldenburg. „Der Arzt ist einfach nicht zum Notdienst erschienen. Wir wissen bis jetzt nicht, was passiert ist.“
Jens Tönjes hatte am Dienstagabend zunächst versucht, den Notdienst telefonisch zu kontaktieren. Sein bettlägriger Vater (83) benötigte Hilfe. Der Pflegedienst war nicht befugt, einen neuen Katheter zu setzen.
„Um 19 Uhr erfolgte mein erster Anruf. Eine gefühlte Ewigkeit später, fast 20 Uhr, ging immer noch niemand ans Telefon“, berichtet er. Also habe er beschlossen, persönlich in den Räumen des ärztlichen Notdienstes an der Westerstraße vorzusprechen.
Zettel an der Tür vorgefunden
„Unglaublich“, nennt Tönjes, was er dort entdeckte. An der Tür hing ein handgeschriebener Zettel mit der Aufschrift: „Liebe Patienten, leider ist die Bereitschaftsdienstpraxis heute nicht besetzt. Da der diensthabende Arzt nicht zum Dienst erschienen ist.“
„Das ist das Worse-Case-Szenario“, bedauert Scherbeitz. Die Kassenärztliche Vereinigung werde aufklären, wie es dazu kommen konnte. „Die Ärzte haben eine Dienstpflicht“, stellt er klar. Sollte der Arzt schuldhaft gehandelt haben, werde man ein Disziplinarverfahren einleiten.
Die Helferinnen hätten noch versucht, den Arzt über sein Mobiltelefon zu kontaktieren. Doch dieser sei nicht erreichbar gewesen. Schließlich hätten sie den Rettungsdienst und das Krankenhaus informiert, den Zettel aufgehängt und seien nach Hause gefahren.
Erinnerungsfax eine Woche vor dem Notdienst
Die Pläne für den Bereitschaftsdienst werden Monate im Voraus erstellt. „Eine Woche vor dem Dienst bekommen die jeweiligen Ärzte ein Fax zur Erinnerung“, erläutert Scherbeitz.
Sollte ein Arzt kurzfristig verhindert sein, gebe es die Möglichkeit über eine Tauschbörse im Internet eine Vertretung zu finden. „Ein Tausch geht nur über dieses System, weil darüber auch die Anrufumleitung gesteuert wird.“
Aufgrund des Vorfalls am Dienstag sind bei der Kassenärztlichen Vereinigung mehrere Beschwerden eingegangen. „In Zukunft werden wir die Helferinnen wohl in der Praxis lassen, falls mal ein Arzt nicht zum Dienst erscheint“, sagt Scherbeitz. Die dürften die Patienten zwar nicht behandeln, könnten ihnen aber immerhin Auskunft geben, an wen sie sich wenden sollen.