Vor dem Achimer Bahnhof, dessen gegenwärtig weiße Fassade größtenteils von der Steinfassade, die ihn 1911 schmückte, überlagert wird, begegnen sich zwei Züge: Ein moderner Regionalzug und ein historischer mit Dampflok. Menschen in museumsreifer Garderobe beobachten die Szene.
Genauen Winkel der Originalaufnahme finden
Sesslers Werke vermischen längst Vergangenes mit der Gegenwart. Als Grundlage nutzt der 34-Jährige historische Bilder, im Falle Achims alte Postkarten aus dem Archiv der Achimer Geschichtswerkstatt. Fragmente davon schneidet er aus und klebt sie auf eine Glasplatte. Diese stellt er vor das gegenwärtige Objekt und fotografiert durch das Glas. Das fertige Bild zeigt dann mit harten Kanten eine Mischung aus Altem und Neuem und hält Veränderungen, die sich im Lauf der Jahrzehnte ergeben haben, teils eindrucksvoll fest.
Dafür muss Sessler die damalige Perspektive und den Winkel der Aufnahme genau finden. Dieser Prozess ist aufwendig. „Manchmal bin ich auch richtig genervt, wenn es nicht klappt“, sagt er. Das Foto am Bahnhof war nach einem halben Tag vor Ort im Kasten. Dass bei der Postkarte, die als Vorlage diente, bereits gemogelt wurde, fiel Sessler erst beim näheren Betrachten der Vergrößerung auf – die Dampflok auf der über 100 Jahre alten Aufnahme wurde ins Bild montiert.
Bilder von Gieschens Hotel und St. Laurentius-Kirche
Weitere Motive in Achim hat der Künstler mit Gieschens Hotel (Originale von 1931 und 1954) und der St. Laurentius-Kirche (Aufnahme von 1964) gefunden. Die Bilder reihen sich ein in die Collagenserie „Present Perfect“. Sessler hat zahlreiche Fotografien mit Motiven aus Bremen und Berlin mit der gleichen Methode angefertigt. Die Bilder aus Achim sind alle schwarz-weiß. Das war nicht unbedingt geplant. „Ich hatte den Drucker aus versehen auf schwarz-weiß stehen. Ich fand es spannend, dass die Grenzen dabei noch mehr verschwimmen“, verrät Sessler.
Bei der St. Laurentius-Kirche „hat sich am Bau selbst wenig verändert“, sagt der Fotograf beim Betrachten seines Bildes. Veränderungen sind dort vor allem im Umfeld der Kirche wahrzunehmen. Bei Gieschens Hotel ist der Wandel der Zeit auf den Fotos gut zu erkennen, da sich sowohl die Gebäude wie auch die Straßenführung im Laufe der Jahre deutlich verändert haben.
Bilder von Caspar Sessler im Haus Hünenburg
Zu sehen sind die Fotografien demnächst im Haus Hünenburg. Unter dem Titel „Vorwärts immer“ stellt der Kunstverein Achim die Bilder vom 21. Mai bis 30. Juli aus. Auch Aufnahmen aus Bremen und Berlin sowie weitere aktuelle Projekte Sesslers werden gezeigt. Der Künstler selbst wird bei der Vernissage (21. Mai, 11.30 Uhr) anwesend sein. Eine Einführung gibt Ingo Claus vom Museum für Moderne Kunst in Bremen.