Nach Sekundenbruchteilen im Cockpit der Zeitmaschine finde ich mich am 29. Oktober 1959 im Ostteil der Langen Straße wieder. Ich bin umringt von Hausfrauen. Es ist Donnerstag, kurz vor 10.30 Uhr. Die Hausfrauen verbreiten Unruhe und Hektik. Sie warten aufgeregt darauf, dass er endlich seine Pforten öffnet, der erste Supermarkt in Delmenhorst.
Konsumtempel mit 500 Quadratmetern Fläche
Und dann gehen die Türen auf und alles strömt in den Konsumtempel mit seiner 500 Quadratmeter großen Verkaufsfläche und Tiefkühltruhen auf insgesamt 35 Metern Länge. Es gibt keine Ladentresen mehr und Warenbeschreibungen auf den Verpackungen ersetzen die Beratung durch das Verkaufspersonal.
Angepriesen werden „sensationelle Gelegenheiten“, da gibt es Rinderschmorbraten, das Pfund zu 2,98 Mark, Eier-Makkaroni und Spaghetti, zwei Pakete zu je 250 Gramm für 79 Pfennige, Kirschkonfitüre, das Glas zu 85 Pfennigen, französischen Tafelrotwein zum gleichen Preis und Weinbrand, den Liter zu 4,98 Mark – um nur einige der kulinarischen Verlockungen aufzuzählen.
Spaghetti für 79 Pfennige
Begonnen hatte alles 1957. Die Oldenburger Firma Eklöh & Co. erwarb die Immobilie von Franz Ferdinand Heinken, ließ das alte Wohngebäude, Lange Straße 46, im Juli 1958 abbrechen und beauftragte den Architekten Jonathan M. Frank mit dem Entwurf für den Wohn- und Geschäftshausneubau. Schon am 28. September 1959 konnte das Richtfest gefeiert werden.
Bei der Richtfeier hieß es, der entstehende SB-Markt, der von der Firma Herbert Eklöh GmbH mit Sitz in Köln betrieben werden sollte, werde die Delmenhorster Hausfrauen mit den neuesten Errungenschaften der Einkaufstechnik bekannt machen. Sinn von Supermärkten sei es, den Hausfrauen dadurch Wege zu ersparen, dass sie vom Frischfleisch bis zu Artikeln des täglichen Bedarfs alles unter einem Dach kaufen könnten. Die Eklöh GmbH hatte hinsichtlich der SB-Supermärkte den Part des Vorreiters in Delmenhorst übernommen.
Immer mehr Läden stellen aus Selbstbedienung um
Schon bald stellte auch die Kette Thams & Garfs ihre Häuser auf Selbstbedienung um, und in der Folge traten mit Kaiser´s Kaffeegeschäft, dem Hunte-Supermarkt, Penny und den Spar-Märkten von Helmut Kosten und der Firma Albrecht neue Mitbewerber auf den Plan. Sie brachten das Aus für viele kleine „Tante-Emma-Läden“, die trotz persönlichem Verhältnis zu ihren Kunden und individueller Beratung dem Preisdruck und der Konkurrenz „der Großen“ nicht gewachsen waren.