Besonders der Tiergarten lockte zu sonntäglichen Stippvisiten. Und auch Grundstücke entlang der Oldenburger und Wildeshauser Straße übten auf finanzkräftige hanseatische Kaufleute große Anziehungskraft als probate Standorte für ihre Villen aus.
Im Zeitraum zwischen 1850 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden dort fünf große Landgüter mit herrschaftlichen Wohnhäusern, Nebengebäuden und Parks angelegt, unter ihnen das Gut Lehmkuhlenbusch auf dem heutigen Areal des Josef-Hospitals.
Delmenhorst als Ausflugsziel
Nur ältere Delmenhorster werden sich noch an das stattliche Anwesen erinnern, von dem außer verwilderten Teilen des einst so kunstvoll angelegten Gartens, als dessen Urheber stets der renommierte Bremer Landschaftsarchitekt Wilhelm Benque genannt wird, nichts übriggeblieben ist.
1873 erwarb der Bremer Konsul Johann Abraham Albers den Lehmkuhlenbusch für 7.000 Taler vom oldenburgischen Staat. Zunächst ließ er auf dem kargen und unbewaldeten Grund mithilfe einer ausgeklügelten künst lichen Bewässerung durch einen Windmotor einen beeindruckenden Park anlegen, durch den schattige Promenaden von der Wildeshauser Straße bis zum Schlutter Mühlenweg an der Dummbäke führten. Der Bau der im Stil der Neurenaissance ausgeführten Villa konnte im Jahr 1880 fertiggestellt werden. Gleichzeitig entstanden ein großes Wirtschaftsgebäude und ein Geflügelstall.
Villa im Stil der Neurenaissance
Die Villa wurde von der Oldenburgischen Brandkasse mit der für damalige Verhältnisse hohen Summe von 30.000 Mark eingeschätzt, ein Versicherungswert, der nach einem 1882 erfolgten weiteren Ausbau sogar noch verdoppelt wurde.
Nach dem Tod des Konsuls 1886 erbten seine Witwe und sein Sohn Georg Wilhelm das herrschaftliche Anwesen, seit 1889 war der Sohn alleiniger Eigentümer. Der Millionär, der nur wenig Zeit in Delmenhorst verbrachte und sich überwiegend auf seiner Besitzung in Bremen oder an den sonnigen Gestaden der Riviera aufhielt, trat 1896 mächtig auf den Plan, als die Absicht der evangelischen Kirchengemeinde bekannt wurde, ihren neuen Friedhof an der Wildeshauser Straße entstehen zu lassen. Er bot dem Kirchenrat für einen Verzicht auf dieses Vorhaben 2.000 Mark und mehr, konnte aber trotz seines verlockenden Angebotes die Kirchenleitung nicht dazu bewegen, von der projektierten Begräbnisstätte Abstand zu nehmen.
Vergrößerung des Gutshofes
1909 veräußerte Albers Lehmkuhlenbusch für 80.000 Mark an den Bremer Bankier Fritz Heinrich Hincke. Dieser kaufte weitere Ländereien hinzu und vergrößerte das Gut. 1910 ließ er einen Schweinestall erbauen, der drei Jahre später zu einem Viehhaus mit Anbau erweitert wurde. Auch das Wirtschaftsgebäude wurde modernisiert, hinzu kamen ein Geflügelhaus und eine Pumpenstation für den abgängig gewordenen Windmotor.
Hincke ließ Fasanen auf seinen Ländereien heimisch werden und legte an der Dummbäke einen Fischteich an, den er mit Karpfen, Schleien und Forellen besetzte. Auch eine ausgedehnte Obstplantage, die bis zum Bracklandsbusch reichte, und eine Tannenpflanzung in dessen Südteil gehörten zu den Neuerungen unter seiner Ägide, die als die Zeit der größten Blüte des Gutes gelten kann.
1919 wurde der Kaufmann Dr. Heinrich Otto Sprenger neuer Herr auf Lehmkuhlenbusch, schon wenige Monate später gab er den Besitz an Friedrich Engelbart aus Ganderkesee weiter, der gemeinsam mit zwei Partnern als Erwerber auftrat.
Die neuen Eigner erwirtschafteten Profite durch Abholzung und den zerstückelten Verkauf der Ländereien an mehrere Interessenten. Ein Teil des Gutes mit der Villa ging an Hermann Gustav Pauley, einen Farbenfabrikanten aus Oldenburg. Käufer der südlich der Villa gelegenen Wirtschaftsgebäude mit weiteren Landstücken war der Bremer Wilhelm Heinrich Oetken. Restflächen mit dem darauf stehenden Viehhaus am Nordrand der Langen Wand sicherte sich der Rheinländer Johann Krudewig, der das Viehhaus zum Wohngebäude umgestalten ließ.Die Villa erhielt 1920 noch einen Anbau und wurde umfassend renoviert.
Villa wird 1973 abgerissen
1925 wurde sie mit den Ländereien von Pauley und Oetken von der Stadt Delmenhorst angekauft, die so die Grundstücksvoraussetzungen für den Bau des 1928 fertiggestellten Krankenhauses an der Wildeshauser Straße schuf. Sie diente nun dem damaligen Oberbürgermeister und späteren Ehrenbürger Rudolf Königer als Domizil.
Nach 1933 wurde sie dann zeitweise von einem SA-Standartenführer und Offizieren des Infanterie-Regiments 65 bewohnt. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Villa zu einer Dependance des Krankenhauses umfunktioniert, in der nach den Dermatologen die Tuberkolose-Abteilung Einzug hielt. Da diese Nutzung jedoch bestenfalls als Notlösung anzusehen war, stand das einstige Herrenhaus seit 1956 leer und verfiel immer mehr. Der Abbruch der Villa im Jahr 1973 besiegelte ihre wechselvolle Geschichte. Wieder einmal verschwand mit ihr ein bemerkenswertes Gebäude aus dem Delmenhorster Stadtbild.