Der promovierte Hautarzt Jörg Hermann ist seit 2011 Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen. Foto:pv
Interview

„Bremenweit haben wir ein einziges Problem“

Von
Mehr als 50 Ärzte informierten am Tag der ambulanten Medizin. Wie gut sind die Bremer versorgt? Ärztechef Jörg Hermann über Medizinermangel, Förderprogramme und Bewertungsportale.

Weser Report: Herr Hermann, gibt es in Bremen zu viele oder zu wenige Ärzte?

Jörg Hermann: Insgesamt sind wir gut ausgestattet. Die Frage ist: Welche Messlatte lege ich an? Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt haben wir in Bremen zu viele Ärzte. Wenn es danach geht, wie viele Ärzte wir gerne hätten und wie kurz die Wege zum nächsten Arzt sein sollen, dann könnten wir noch mehr Ärzte gebrauchen. Und wenn heute immer ein Arzt da sein muss, wo gestern auch einer war, dann haben wir einen Mangel.

In Bremen-Nord beklagen die Bürger einen Mangel an Kinderärzten.

Wenn Sie einen Hausarzt haben, der nur sieben Häuser weiter seine Praxis hat, zu dem Sie immer gegangen sind und der aufhört, ohne einen Nachfolger zu finden, dann ist das für Sie ein Mangel. Dass in Bremen aber noch 340 Hausärzte praktizieren, ist Ihnen dann egal. Sie fühlen einen Mangel, und müssen sich umorientieren. Das führt in Bremen-Nord zu den Protesten.

Wo mangelt es tatsächlich an Ärzten?

Bremenweit haben wir ein einziges Problem. Wir haben nur fünf Rheumatologen. Eine Rheumatologin hört jetzt auf, findet aber keinen Nachfolger. Deutschlandweit gibt es keinen Rheumatologen, der nach Bremen kommen will.

Die Kassenärztliche Vereinigung fördert doch die Ansiedlung von Ärzten in Bremen.

Wir haben ein Förderprogramm, machen Werbung und nehmen Geld in die Hand. Wenn ein Arzt zögert, in Bremen eine Praxis zu eröffnen, weil er befürchtet, zu wenig Umsatz zu machen, dann geben wir ihm eine Umsatzgarantie. Die gilt für acht Quartale und richtet sich nach dem durchschnittlichen Umsatz in der jeweiligen Arztgruppe. Wir geben auch 50.000 oder 60.000 Euro als Zuschuss, um mal die Ausstattung der Praxis zu modernisieren. Die Ärzte erwarten aber, dass auch die anderen etwas machen. Die Krankenkassen zahlen die Weiterbildung. In anderen Regionen legt auch die Politik erhebliche Summen auf, um Ärzte gezielt in ihre Region zu locken. Das ist in Bremen leider nicht der Fall.

Wie viele Ärzte schließen in Bremen in den nächsten fünf Jahren aus Altersgründen ihre Praxis?

Jeder Arzt darf so lange arbeiten, wie er will. Wenn wir von den bisherigen Erfahrungen ausgehen, werden uns in den nächsten fünf Jahren rund 20 Prozent der niedergelassenen Ärzte von der Fahne gehen.

Wie findet ein Patient einen guten Facharzt? Welche Kriterien gibt es dafür?

Die kann es nicht geben. Aber jeder niedergelassene Arzt hat eine Facharztausbildung und ist verpflichtet, sich weiterzubilden. Die Fortbildung muss er nachweisen. Wer sie nicht nachweist, verliert letztlich seine Zulassung. Außerdem braucht ein Arzt für viele Prozeduren ein Genehmigungsverfahren, etwa für Ultraschalluntersuchungen.

Wie wichtig sind die Bewertungsportale im Internet?

Darüber kann ich nur schmun­zeln. Die Zahl der Bewertungen ist sehr klein. Entweder kommt ein Arzt dort in allen Punkten gut weg, oder alles ist schlecht. Im Wartezimmer liegen blöde Zeitungen, und Parkplätze gibt es nicht. Ernsthafte Bewertungen sind dort die Ausnahme.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren...

Schreibe einen Kommentar

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner