Vier Tage lang noch wird Michael Schümann als Kontaktpolizist durch die Bahnhofsvorstadt laufen, zwischen Bürgermeister-Smidt-Straße und Rembertistraße, zwischen Wallanlagen und Bürgerweide, gut 12.000 bis 14.000 Schritte am Tag. Dann ist Schluss. Nach fast 45 Jahren bei der Polizei geht Schümann am Freitag in den Ruhestand. Ein Nachfolger ist vorerst nicht eingeplant.
Schümann gehört zu den Kontaktpolizisten der ersten Stunde. Gleich 2001, zur Einführung der sogenannten Kops, kam er in die Bahnhofsvorstadt. Meist ist er mit einem Kollegen zu zweit unterwegs. Bei jedem Wetter machen sie ihre Runden, auch wenn es stürmt und regnet – so wie heute. „Das macht nichts“, so der Beamte, „das hält jung.“
Immer ansprechbar
Wer mit ihm unterwegs ist, kommt nicht schnell voran – unterschiedlichste Menschen wollen mit ihm sprechen: Zwei junge Mädchen, die sich trotz Smartphone verlaufen haben; ein gut gelaunter bis berauschter junger Mann, der Schümann seine etwas wirren Thesen anvertraut; ein Wachdienstmitarbeiter, der von den Vorkommnissen der letzten Nacht erzählt; eine Frau, die sich nicht sicher ist, ob sie ihr Auto richtig abgestellt hat.
„Wenn wir einen Termin haben, müssen wir immer früh losgehen – auf dem Weg passiert immer was“, bestätigt Schümann den Eindruck. Termine hat der Kop viele. Er spricht mit den Institutionen im Stadtteil, kennt die Drogenberatungsstelle und die Obdachlosenhilfe so gut wie das Gewoba-Büro und die senatorischen Behörden. „Wir sind vor allem Bindeglied“, erklärt er.
„Man kennt sich halt“
Ein bärtiger Mann mit großem Plastiksack auf dem Rücken nähert sich. „Entschuldigung“, fragt er höflich mit Akzent. „Obdachlosenhilfe ist zu?“ Schümann nickt, ja, das Café Papagei hat erst morgen wieder geöffnet. Sowohl Wohnungslose als auch Drogensüchtige sprechen an diesem Nachmittag von sich aus Schümann und seinen Kollegen an, stellen Fragen oder wollen ein wenig quatschen.
„Man kennt sich halt“, so der Polizist. „Wenn an der Haltestelle ein neuer Drogensüchtiger aufkreuzt und uns als „scheiß Bullen“ beschimpft, kriegt der von den anderen was zu hören.“
Aber ist es nicht schwierig, als freundlicher Ansprechpartner bei anderen Gelegenheiten das Gesetz und die öffentliche Ordnung vertritt? Schümann schüttelt den Kopf. „Kein Problem. Es ist schwieriger, sogenannte Normalbürger zurechtzuweisen.“
Viele Streits geschlichtet
Meist können die Kops auf Strafandrohungen verzichten. Ihre Sonderrolle als Vermittler zeigt sich oft. „Neulich hatten die Kollegen bei einer Razzia in einer Shisha-Bar ganz schön Stress. Wir können uns mit den Leuten über die gleichen Probleme normal unterhalten.“ Schümann ist sich sicher: Immer wieder können dank der Kop-Arbeit Streite geschlichtet, Konflikte gelöst und 110-Einsätze vermieden werden. „Aber unsere Arbeit ist nicht so messbar“, glaubt er. „Vielleicht fällt es der Poltik deshalb leichter, die Stellen zu streichen.“
Wenn Schümann Freitag aufhört, wird sich wohl auch sein Kollege eine neue Aufgabe suchen müssen. Die Bahnhofsvorstadt soll vorerst vom Kop-Bereich Stephanitor mit übernommen werden – ohne, dass deshalb mehr Leute für den gewachsenen Bezirk zuständig sind. Im Gegenteil: „Auch im Stephanitor gehen nächstes Jahr zwei Kollegen in Rente“, weiß Schümann.
Der Nachfolger fängt bei Null an
Grund für den Wegfall des Kop-Dienstes ist die schlechte Personallage bei der Bremer Polizei. Um den Streifendienst aufrecht zu erhalten, müssen anderswo Polizisten eingespart werden. Ab 2019, so der politische Plan, sollen die Kop-Stellen wieder nachbesetzt werden. „Aber unser Wissen, unser Netzwerk geht bis dahin verloren“, so Schümann. „Der neue Kollege muss dann wieder bei Null anfangen.“