„Es ist leicht über Menschen zu urteilen“, sagt Wolfgang Lintl. „Ich finde sie doof oder auch nicht. Schwierig wird es aber, wenn mein Urteil mit Konsequenzen einher geht.“
Lintl will ab 2019 Schöffe werden. Er weiß, was auf ihn zukommt: Bereits von 2009 bis 2014 hat der ehemalige Journalist das Ehrenamt ausgeübt. Aktuell werden wieder Bremer gesucht, die als ehrenamtliche Richter aus dem Volk von 2019 bis 2024 das Urteilen übernehmen sollen.
Schöffen können Berufsrichter überstimmen
Die beiden Schöffen, die der Gesetzgeber für Prozesse vorsieht, sind genau so Teil des Gerichtes, wie der hauptamtliche Richter. Urteile werden mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefällt, jede Stimme ist gleich viel wert.
Das bedeutet, dass sich theoretisch auch beide Schöffen gegen das Urteil des Richters durchsetzen können. Oft kommt das nicht vor. „Ich glaube, bei der grundsätzlichen Frage schuldig oder nicht war ich mit dem Richter nie uneins“, erinnert sich Lintl. „Aber beim Strafmaà haben wir schon gerungen.“
Urteile haben Konsequenzen
Schließlich geht es dabei um Gerechtigkeit – und um die Zukunft eines Menschen. Um zu verstehen, was eine Haftstrafe für die Angeklagten bedeuten kann, empfiehlt Lintl allen Schöffen, selber einmal ein Gefängnis zu besuchen.
„In Santa Fu sah es aus wie in einem schlechten Film“ erinnert er sich an seinen Besuch in dem Hamburger Gefängnis. „In Oslebshausen sieht es da schon noch mal anders aus.“ Man sollte wissen, wohin man die Verurteilten mit seiner Entscheidung schickt, findet er.
Gerechtes Recht sprechen kann schwer sein
Auch die Schuldfrage an sich kann es manchmal in sich haben – und für den Schöffen belastend sein. Lintl erinnert sich an Vergewaltigungsprozesse aus seiner Anfangszeit als Schöffe.
„Jeder klang so überzeugend, die Zeugin, der Angeklagte, der Rechtsanwalt und der Staatsanwalt. Am Ende hieß es: Im Zweifel für den Angeklagten. Aber man fragt sich schon, ob man dort das richtige Urteil gefällt hat.“
Kaum feste Vorgaben zum Schöffenamt
Trotz der großen Verantwortung gibt es kaum feste Vorgaben für die Wahl zum Schöffen: Nicht vorbestraft darf man sein, und zum Zeitpunkt der Wahl im Alter zwischen 25 und 69 Jahre alt.
Die Schöffen sollen aus allen Bevölkerungsschichten kommen, erklärt Martin Kesper von der zuständigen Wahlbehörde, dem statistischen Landesamt Bremen. Bei der Auswahl wird deshalb darauf geachtet, dass verschiedene Altersstufen und Berufsstände vertreten sind.
Ehrenamt nicht immer freiwillig
In Bremen-Stadt brauchen Amtsgericht und Landgericht ab 2019 267 Schöffen, 48 weitere aus Bremen-Nord sucht das Amtsgericht in Blumenthal. Mindestens doppelt so viele Menschen müssen auf der Auswahlliste stehen, damit von einer echten Wahl die Rede sein kann.
Gäbe es nicht genügend Freiwillige, könnten auch andere Bremer ernannt werden - das Ehrenamt des Schöffen wäre dann nicht freiwillig. „Wir bekommen für gewöhnlich aber genügend Bewerbungen“, beruhigt Kesper. „In Bremen-Nord wird es allerdings manchmal etwas knapper.“
Urteile im Namen des Volkes
Aber was soll es überhaupt, dieses Schöffenamt? Wofür zwingt man Menschen in ein Ehrenamt, das sie nicht zwangsläufig auch ausüben wollen?
„Urteile ergehen im Namen des Volkes. Man erhofft sich, dass die Laienrichter mit gesundem Menschenverstand urteilen“, erklärt Richter Helmut Kellermann. Schließlich könnten auch Richter nach 30 Berufsjahren manchmal „professionell deformiert“ sein: „Der Schöffe hat einen anderen Blick auf den Fall.“
Der „ideale Schöffe“ bringt Tugenden mit
Der Laienrichter sollte, so findet Kellermann, möglichst etwas Berufserfahrung haben, sich der eigenen Vorurteile selbstkritisch bewusst sein, logisch denken können, über Gerechtigkeitssinn und Menschenkenntnis verfügen und standfest sein. „Das wäre dann wohl der ideale Schöffe“, meint Kellermann. Auch wenn das Ideal nicht immer getroffen wird, findet er: „Im Regelfall sind unsere Schöffen gut.“
Wer sich informieren will, kann am Dienstag, 13. Februar, ab 18 Uhr in der VHS, Faulenstraße 69, eine Infoveranstaltung zum Thema besuchen. Die Teilnahme ist kostenlos. Für das Amt des Schöffen kann man sich noch bis zum 29. März beim statistischen Landesamt bewerben. Weitere offizielle Infos zum Amt sowie die Bewerbungsunterlagen gibt es hier. Daneben informiert auch der Schöffenverband Niedersachsen-Bremen.