Die FDP-Fraktionschefin Lencke Steiner will für ihre Partei bei der Bürgerschaftswahl 2019 zehn Prozent holen. Foto: Schlie
Interview

Lencke Steiner: „Da werden Sie wahnsinnig“

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Lencke Steiner ist Unternehmerin und Fraktionschefin der FDP Bremen. Im Weser Report-Interview spricht sie über Erfahrungen im Bremer Politikbetrieb - und warum Unternehmer nicht immer die Bösen sind.

Weser Report: Frau Steiner, Sie sind in Bremen zur Schule gegangen und haben hier Karriere gemacht, Ihr Unternehmen sitzt hier – ist Bremen doch nicht so schlecht, wie Sie es als FDP-Fraktionschefin manchmal darstellen?

Lencke Steiner: Bremen finde ich super, ich fühle mich hier ultrawohl. Aber Bremen kann viel mehr schaffen, als es zurzeit macht. Gerade in der Bildung ist Bremen in den letzten Jahren massiv schlechter geworden. Man darf nicht die Augen schließen und hoffen, das richtet sich alles von alleine. Da schlägt auch ein bisschen das Unternehmer-Gen durch. Wenn Unternehmer sehen, da läuft etwas schlecht, dann steuern sie gegen.

Aber Sie hegen jetzt keine Abwanderungspläne?

Wir hatten ein Angebot vom Achimer Bürgermeister, uns dort anzusiedeln. Aber wir sind als Familienunternehmen sehr standortverbunden. Wir hatten gerade 150. Jubiläum. Ich muss aber sagen: Das Unternehmen läuft trotz Politik und nicht wegen Politik.

Warum gehen so wenige Unternehmer in die Politik? Warum sind Sie die Ausnahme?

Als Unternehmer werden Sie in der Politik manchmal wahnsinnig. Entscheidungen fallen so unglaublich langsam. Es dauert zum Teil viele, viele Jahre, um Veränderungen zu erreichen. Als Unternehmer ist man es gewohnt, Entscheidungen zu treffen. Dann kann man in sechs Monaten sehen: War die Idee gut oder nicht? Man kann dann nachsteuern oder die Idee fallen lassen. Dieses mutige nach vorne Gehen, dieser Wagemut, der in einem Unternehmer steckt, ist in der Politik so nicht vorhanden.

Ist das Politikgeschäft nicht mühsamer? Ein Politiker muss Mehrheiten suchen.

Das sehe ich anders. Auch ein Unternehmer muss seine Mitarbeiter auf seine Seite bekommen. Alleine schafft er seine Aufgaben nicht, er ist Teil eines Teams. Und das muss er mitnehmen. Sicherlich könnte er auch Entscheidungen rigoros treffen, das ist eine Frage des Führungsstils.

Ist der insbesondere in mittelständischen Familienunternehmen nicht üblich?

Allenfalls bei der ganzen alten Führungsriege ab 70 plus. Aber auch die merkt, dass Führungskräfte und Fachkräfte diesen Stil nicht mehr akzeptieren. Die Motivation der Arbeit hat sich geändert. Früher arbeitete man für Macht und Geld, heute sucht gerade die jüngere Generation sinnstiftende Tätigkeiten. Dazu passt der alte Führungsstil nicht.

Wie ist das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft?

Die Wertschätzung des Unternehmertums kommt in der Politik viel zu kurz. Der Unternehmer ist nach wie vor immer der Böse. Das nervt, das ist deutschlandweit ein Problem. Ob im „Tatort“ oder in den Kinderhörspielen TKKG – der Unternehmer ist immer der Böse. Aber das ist nicht wahr.

Hat sich das Image des Unternehmers nicht gewandelt, da viele Jüngere selbstständig werden wollen?

Im letzten Jahr haben nur 1,6 Prozent der Deutschen ein Unternehmen gegründet. Das ist die schlechteste Gründerquote seit 20 Jahren.

Sendungen über Start-ups wie die „Höhle der Löwen“ erzielen eine hohe Zuschauerquote.

Man merkt doch, dass Deutschland ein Land der Erfinder ist. Nach meinen Auftritten als Jurorin in der „Höhle der Löwen“ kamen viele Menschen zu mir und sagten: Ich habe da eine Idee, kann ich die mal vorstellen? Was fehlt ist, den Mut aufzubringen, was Neues zu wagen. Das liegt auch an unserer fehlenden Fehlerkultur. Wer scheitert, kann nur noch auswandern. Aber wir müssen den Mut unterstützen, sich selbstständig zu machen, was auszuprobieren.

Was kann die Politik da tun?

Wir brauchen eine Willkommenskultur für Unternehmer. Das heißt auch, dass man auf die Unternehmer zugeht, mit ihnen spricht.

Was haben Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen in der Politik im Unternehmen geändert?

Nichts. Im Gegenteil: Wir haben die FDP-Fraktion wie ein Unternehmen organisiert: flache Hierarchien, Mitarbeiter werden als gleichberechtigt mit Abgeordneten angesehen, wir haben Kompetenzen delegiert. So ein Führungsstil bewirkt, dass Mitarbeiter über sich hinauswachsen.

Wenn Sie Bürgermeisterin von Bremen wären, was würden Sie zuerst tun?

Ich würde ein Fest machen für alle Lebensretter, also Polizei, Feuerwehr, Sanitäter. Einen Dankesempfang. Als nächstes würde ich die Unternehmen hier besuchen, die ein Jubiläum feiern. Die würde ich fragen: Was kann ich tun, damit sie hier bleiben? Petra Roth, eine Sozialdemokratin, ist als Frankfurter Bürgermeisterin zu jeder Grundsteinlegung eines Unternehmens gegangen. Dieser Umgang miteinander ist wichtig.

Bei der Bürgerschaftswahl 2015 erzielten Sie mit der FDP 6,6 Prozent. Welches Ziel peilen Sie bei der Wahl 2019 an?

Zehn Prozent.

Zur Person

Mit Lencke Steiner als Spitzenkandidatin zog die FDP nach vierjähriger Pause 2015 wieder in die Bürgerschaft ein. Die Diplom-Kauffrau ist Geschäftsführerin und Gesellschafterin des Familienunternehmens W-Pack, das Verpackungen für Lebensmittel fertigt.

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2 Antworten

  1. nizo800 sagt:

    Ich lese: „Schon etwas peinlich für die FDP-Bürgermeisterin in spe, wenn sie nicht weiß, dass Frau Roth eine Christdemokratin ist.“
    Meine Frage: was ist daran peinlich? Ist in diesem Zusammenhang wichtig, welcher Partei Petra Roth angehört? Kaum. Sie ging ja mit Sicherheit nicht auf die Unternehmer (und auf die Menschen) zu, weil sie Mitglied der CDU oder der SPD war, sondern als Persönlichkeit. Darum geht es. Wichtig scheint mir zudem zu sein, dass Petra Roth Bremerin war. Frage: Hat die Bremer CDU zu ihr Kontakt gehalten und ihr womöglich Angebote gemacht, sich in Bremen einzubringen? Das hätte ihr und Bremen gut getan. Zur Erinnerung: Zur Bürgerschaftswahl 2011 präsentierte uns die Bremer CDU die Apothekerin Dr. Rita Mohr-Lüllmann als Spitzenkandidatin für das Amt der Bürgermeisterin. Auch sie war eine Persönlichkeit. Eine Rose zwischen Tulpen, Nelken und Disteln. Das konnte nur schief gehen. Es ging schief. Den nachfolgenden Machtkampf der Verlierer entschied Thomas Röwekamp für sich. Er ist der ganz Harte. Rita Mohr-Lüllmann ging ins Exil nach München.
    Von nun an setzte die CDU nur noch auf Parteisoldaten. Zur Bürgerschaftswahl 2015 setzte sie die beiden Speerspitzen der Fraktion, Gabriela Piontkowski und Carl Kau, nicht einmal mehr auf die Vorschlagsliste. Die CDU war einmal ein Volkspartei. Sie war hoch angesehen, auch wegen der führenden Rolle von Persönlichkeiten in der Partei. Die heutigen Altvorderen der CDU um Thomas Röwekamp, Jörg Kastendiek und Heiko Strohmann haben wunderschöne Posten samt Pensionsanspruch inne und alles im Griff. Sie verteilen jetzt Posten und Arbeit. Zur kommenden Bürgerschaftswahl präsentieren sie uns Carsten Meyer-Heder, Inhaber der IT-Firma „team neusta“, als Spitzenkandidaten. Er ist nun einmal nicht ganz so attraktiv wie Lencke Steiner, aber die entscheidende Frage ist: Fühlt der Bürger, dass er wirklich der Spitzenkandidat der Bremer CDU ist? Dass er das Sagen hat? Wenn ja, dann schlägt der CDU samt FDP die Stunde.
    Nie war die Bremer SPD angeschlagener als heute. Sie hat personell nur wenig zu bieten (Frage: Hat die Bremer SPD zu Willi Lemke, einst Werder-Manager, Senator und UNO-Botschafter, Kontakt gehalten und ihm womöglich Angebote gemacht, sich in Bremen einzubringen? Das hätte ihr und Bremen gut getan.).
    Lencke Steiner als Bürgermeisterin, Carsten Meyer-Heder als Bürgermeister? Fände ich prima. Dass die CDU stärkste Partei wird und den Bürgermeister stellt, wäre schon ein Fortschritt. Aber ich gehe eher davon aus, dass Rot-Grün an der Macht bleibt, notfalls verstärkt durch DIE LINKEN. Die meisten Bremer sind immer noch, so ist meine Erfahrung, eher autoritätsgläubige als selbstbewusste Bürger. Sie wählen sogar einen Carsten Sieling, einen Parteisoldaten aus dem Bilderbuch, der nun wahrlich nichts von einem Landesvater hat, zum Bürgermeister. Bloß weil er einer Partei angehört, die seit Juli 1945 diese Stadt beherrscht. Sie sich gar angeeignet hat. Selbst wenn die SPD ab 2019 in der Opposition säße, würde es eine Generation dauern, bis sich das ausgewachsen hätte.
    Und wenn schon. Dafür zu kämpfen, lohnt allemal. Für uns selbst und für unsere Kinder und Enkel.
    Martin Korol, Bremen

  2. Manfred.Englisch sagt:

    Steiner: „Petra Roth, eine Sozialdemokratin, ist als Frankfurter Bürgermeisterin zu jeder Grundsteinlegung eines Unternehmens gegangen.“ – Schon etwas peinlich für die FDP-Bürgermeisterin in spe, wenn sie nicht weiß, dass Frau Roth eine Christdemokratin ist.

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