Staffordshire-Terrier stehen auf der Liste der verbotenen Rassen für Bremen. Julia Dittmers fordert, die Liste abzuschaffen und einen Hundeführerschein einzuführen. Foto: Schlie
Interview

Kampfhund-Diskussion: „Aufklärung ist sehr wichtig“

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Nach den tödlichen Attacken in Hannover und Bad König ist die Diskussion um die Haltung potenziell gefährlicher Hunden erneut ausgebrochen. Hundetrainerin Julia Dittmers fordert mehr Sensibilität von Hundehaltern.

Weser Report: Erst Hannover, dann Bad König: Hundeangriffe haben in den letzten Tagen drei Todesopfer gefordert. Wie erklären Sie sich die Zunahme dieser Vorfälle?

Julia Dittmers: Statistisch gesehen sterben pro Jahr drei bis vier Menschen durch Hundeangriffe. Dass es jetzt drei Tote innerhalb so kurzer Zeit gegeben hat, ist eine sehr unglückliche Verstrickung, aber wahrscheinlich Zufall.

Tierschützer hatten im Fall „Chico“ versucht, das Einschläfern des Hundes zu verhindern. Wie sehen Sie das?

Für mich war die Einschläfern in diesem Fall leider alternativlos. Das Problem ist folgendes: Man hätte dem Hund nie wieder soziale Kontakte bieten können. Er wäre nur noch verwahrt worden. Für ein hochsoziales Lebewesen wie den Hund ist das kein zumutbares Leben. Es wäre nie auszuschließen gewesen, dass so etwas noch einmal passiert. Die Verantwortung dafür kann auch niemand übernehmen, das Risiko eines erneuten Angriffs wäre auf Dauer zu groß gewesen.

Oft wird den Hundehaltern die Schuld für solche Vorfälle gegeben. Können sie die Vorwürfe verstehen oder sehen sie in jedem Hund eine potenzielle Gefahr für Menschen?

Grundsätzlich ist kein Hund von Grund auf „böse“. Natürlich gibt es oft Probleme mit den Haltungsbedingungen, manchmal können jedoch auch zufällige Ereignisse dazu führen, dass ein Hund die Kontrolle über sich verliert. Bestimmte Ereignisse werden zu Schlüsselreizen, die plötzlich, manchmal auch erst Jahre später, dazu führen können, dass ein Hund angreift.

Zum Beispiel?

Ein fiktives Beispiel wäre etwa ein Hund, der mit seinem Herrchen im Park unterwegs ist. Das Herrchen bückt sich, um ein Geldstück aufzuheben. Im selben Moment ertönt ein Schuss und der Hund läuft in eine Scherbe, an der er sich verletzt. Wenn es, auch viele Jahre später, zu einer ähnlichen Situation kommt, könnte der Hund sofort angreifen, weil er sich an den Schmerz erinnert. Beispielsweise wenn ein Mensch sich bückt und zur gleichen Zeit ein Knallgeräusch ertönt. Das wäre ein sogenannter Schlüsselreiz.

In Gröpelingen wurde zuletzt bekannt, dass Hunde auf Spielplätzen abgerichtet werden, dabei Schäden anrichten und spielende Kinder so verschreckt werden. Was bewegt Menschen, Hunde so zu behandeln und damit vielleicht auch ihre Aggression zu fördern?

Viele Hundehalter wissen leider nicht, was sie mit ihrem Verhalten anrichten können. Sie machen so etwas aus Spaß und ohne böse Absicht, manchmal auch aus Langeweile. Mir sind solche Fälle bekannt, aber mit kriminellen Aktivitäten wie etwa Abrichtung für Hundekämpfe hat so etwas selten zu tun.

Wie kann so etwas verhindert und damit auch das Risiko für Biss-Attacken gesenkt werden?

Wir brauchen keine Rasseliste, sondern einen Sachkundenachweis, wie es ihn in Niedersachsen bereits gibt. Indem sie gezwungen sind, sich mit ihrem Tier auseinandersetzen, werden viele Hundehalter sensibilisiert. Aufklärung ist sehr wichtig, genauso wie eine regelmäßige Überprüfung dieses Hundeführerscheins. Da haben auch die Behörden deutlichen Verbesserungsbedarf.

Zur Person

Foto: pv

Julia Dittmers wurde 1971 in Hamburg geboren und ist Vorsitzende des Berufsverbands zertifizierter Hundetrainer. Sie leitet die Hundeschule „Pro Canis“ in Posthausen bei Bremen.

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