Weser Report: Herr Kröger, wer jetzt einen Handwerker braucht, muss darauf bis zu zehn Wochen warten. Warum?
Jan-Gerd Kröger: In Bremen ist es im Moment noch gravierender. Das liegt nicht nur an der guten Auftragslage, sondern die Handwerker wurden auch von der Grippewelle voll erwischt. Da stauen sich die Aufträge.
Das spricht für sichere Arbeitsplätze. Trotzdem finden die Betriebe nicht genügend Mitarbeiter. Was läuft falsch?
Es geht in Bremen überproportional viel mehr Geld in die akademische Ausbildung als in die berufliche. Das muss sich ändern. Wie sehen denn die Berufsschulen aus? Sie befinden sich teilweise in einem sehr schlechten Zustand. Und wenn man in den Berufsschulen mit EDV arbeiten will, braucht man eine Viertelstunde, um den Rechner in Gang zu setzen, eine weitere Viertelstunde, um ihn hochzufahren, und dann bleibt nur noch eine Viertelstunde zum Arbeiten, dann ist die Schulstunde um. Außerdem haben die Berufsschulen nicht mal durchgängig ein WLan-Netz.
Auch andere Schulen klagen über Mängel.
In die Allgemeinbildung wird Geld gepumpt, in die Universität wird Geld gepumpt, die Berufsschulen bekommen als Letzte Geld. In der Überseestadt wird ein Grundstück freigehalten für den Bau einer Berufsschule, aber niemand bekommt es auf die Kette, die zu bauen.
Dass das Handwerk nicht genügend Auszubildende findet, liegt aber nicht allein am Zustand der Berufsschulen?
Die Handwerkskammer gibt seit Jahren Geld aus für eine Imagekampagne. Die ist sehr erfolgreich. Aber letztlich müssen auch die Eltern erreicht werden, damit die sagen: Unser Kind macht eine Ausbildung, darauf sind wir stolz. Jetzt sind die Eltern doch nur stolz, wenn das Kind studiert.
Müssen Sie die Ausbildung attraktiver gestalten?
Wir brauchen im Handwerk vor allem eine moderne berufsschulische Ausbildung. Unsere Maurerlehrlinge kommen mit Schulunterlagen, die nicht auf dem neuesten Stand sind. Das liegt in der Verantwortung des Bildungsressorts. In Bremen beschafft das Land die Schulbücher. In Niedersachsen müssen die Schüler ihre Bücher selbst kaufen. Deshalb haben dort Schüler und Betriebe Einfluss darauf.
Sollen auch in Bremen die Schüler ihre Bücher selbst bezahlen?
Nein, das will ich nicht. Ich will, dass Geld für vernünftige Unterlagen bereitgestellt wird und die Schüler nicht die 95. Kopie eines Arbeitszettels bekommen.
Die Betriebe bilden viele Leute mit ausländischen Wurzeln aus. Wie schlagen die sich?
Wir haben die große Sorge, dass viele junge Leute mit Migrationshintergrund reihenweise durch die Prüfung fallen. Wenn einer mit erweitertem Hauptschulabschluss kommt und steht in Deutsch drei oder vier und in Mathematik vier, dann kann der weder vernünftig schreiben noch rechnen. Der bekam die Drei und Vier nur, um den Abschluss zu schaffen.
Was tun?
Es gibt Betriebe, die auf eigene Kosten Nachhilfeunterricht bezahlen, damit ihre Auszubildenden die Prüfung schaffen. Auch ich organisiere für unsere Auszubildenden Zusatzunterricht. An den Berufsschulen fällt ja permanent Unterricht aus, weil es zu wenige Lehrkräfte gibt.
Zu wenige Mitarbeiter, viele Aufträge – wann erhöhen die Handwerker die Preise?
Durch die Verknappung der Ressourcen steigen die Preise, wobei das in der Lohnleistung beim Handwerk nicht so extrem ist. Viel schlimmer sind die steigenden Preise, die die Industrie verlangt, wenn wir dort Material kaufen.
Was bringt die elektronische Rechnung, die die Bremer Behörden jetzt einführen?
Das Problem wird die bremische Verwaltung sein. Auf einem Bauantragsformular steht schon heute: Zur Beschleunigung des Verfahrens können Sie den Antrag digital abgeben. Gehen Sie mal mit einer CD zur Verwaltung. Die locht die CD und heftet sie ab.
Wie sind die Aussichten fürs Bremer Handwerk?
Die Betriebe haben relativ viele ältere Mitarbeiter, die absehbar in Rente gehen. Die Berufschancen für junge Mitarbeiter werden also eher noch besser. Und viele Betriebsinhaber suchen einen Nachfolger. Wir können jungen Leute also eine Perspektive bieten – als Mitarbeiter und als Selbstständige.