Der Herr der Kräne: Jörg Zinnow lenkt als Projektleiter die baulichen Geschicke auf der Bremer City-Gate-Baustelle. Foto: Raddatz
Reportage

City-Gate-Kran: Ein Ritt auf dem Metall-Monster

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Dort vor dem Bahnhof stehen sie, die drei Ungetüme aus Stahl: Die Baukräne sind die stillen Arbeiter auf Bremens größter Baustelle, dem City Gate. Zu Besuch auf Bremens luftigstem und spektakulärstem Arbeitsplatz.

Sie ragen hoch in den Himmel, der Größte fast 50 Meter, die beiden anderen knapp 30. Nahezu jeden Tag führen sie ihr Ballettstück auf, drehen sich um sich selbst. Nur sonntags ruhen sie. Der Mann, der jede Schraube an ihnen kennt ist Jörg Zinnow, Projektleiter und seit 30 Jahren im Geschäft. Er weiß, worauf es ankommt auf Bremens spektakulärstem Arbeitsplatz – in 48 Metern Höhe. 

„Nicht nach unten gucken“

Allein der Weg hinauf zum Kranarm ist nichts für Zartbesaitete: kein Aufzug, kein Sicherungsseil – nur viele Leitern, sehr viele Leitern. Zinnow ist 54, doch er kraxelt die Stufen hoch, wie andere im Büro den Weg in die Teeküche antreten, wenn jemand Kuchen ausgibt – in Windeseile. Nur für Anhängsel, in diesem Fall von der Presse, legt er Pausen auf den Zwischenebenen ein.

Der mittlere Kran steht in der Schlucht der beiden City-Gate-Gebäude. Foto: Raddatz

Handschuhe, Helm und festes Schuhwerk sind Pflicht. Sie vermitteln Sicherheit. Wichtig und richtig, denn: Bereits auf der Hälfte der Weges kann einem mulmig werden. Der Kran reicht vom Einstieg im Erdgeschoss noch 17 Meter in die Tiefe. 

„Nicht nach unten gucken“, ruft Zinnow von oben. Ein guter Ratschlag, denn es ist nicht der Grund der bedrohlich vor und zurück schwankt – es ist der Kran. Der Aufstieg dauert für Geübte dauer normalerweise wenige Minuten, für Amateure knapp zehn – inklusive Pausen. 

Alles wackelt

Oben angekommen, weht ein rauer Wind. Der Griff ans Geländer wird fester, die zwei spärliche Metallstreben, etwa bauchnabelhoch geben nicht wirklich Halt und noch weniger ein Gefühl von Sicherheit.

Die Beine, in denen noch der Aufstieg steckt, sind wacklig. Alles wackelt. Dass sich der Kran dreht macht es nicht besser. Das Metall biegt sich sichtbar, macht knarzende Geräusche. „Immer schön zum Horizont schauen“, versucht Zinnow zu beruhigen. Der Mann ist ganz anderes gewöhnt: In Frankfurt saß er auf einem Kran, der war 140 Meter hoch. 

Das harmonische Gefühl: verpufft

Der Experten-Ratschlag zeigt Wirkung: Der Ausblick ist nicht nur beruhigend, er ist beeindruckend: 360 Grad Hansestadt-Panorama, kilometerweit, bis der graue Wolken-Vorhang die Sicht versperrt. Lediglich der Waller Fernsehturm, das Gebäude des Bau- und Umweltressorts und der Fallturm der Uni scheinen in diesem Moment höher. 

Auf den City-Gate-Dächern wuseln Arbeiter, flexen, tragen, hämmern in hypnotisierender Symphonie. „Das Schlimmste ist, wenn der Kran umfällt.“ Das harmonische Gefühl: verpufft. Jörg Zinnow steht in der Mitte des 60 Meter langen Metallarms und tippt tiefenentspannt auf seinem Handy rum. Dann schaut er hoch: „Aber das habe ich noch nicht erlebt.“ 

Wann so etwas denn passieren würde? Zinnow lässt sich Zeit zum Überlegen, dann sagt er: „Wenn der Kran mehr trägt, als er schafft.“ Bei diesem Modell wären das sechs Tonnen. Dann aber schrillt ein Alarmton, der den Kranführer warnt. Eine Sperre verhindert, dass der Arm weiter ausfährt. Und: Die schwerste Last beim City Gate seien ohnehin die Treppen, und die wiegen nur fünf Tonnen.

Schluss ab 60 Stundenkilometern Windstärke 

Sowieso sei alles sehr sicher. Um Zusammenstöße zu verhindern gilt auf dem Bau die Vorfahrtsregel. Heißt: Der unterste Kran hat immer Vorfahrt. Die anderen müssen darauf achten, dass sie nicht mit den Armen ineinander krachen. Funkkontakt besteht zu jeder Zeit, zwischen den Kränen, zu den Arbeitern auf den Dächern.

Instrumente im Inneren der Führerkabine zeigen den Kranfahrern, wie stark der Wind weht. Dann wissen sie, in welchem Winkel die Last zu befördern ist, denn: Ein starker Stoß gegen die massiven Platten die am Kranhaken baumeln und die Bauarbeiter schweben in Lebensgefahr. 

„Daher machen wir bei einer Windstärke von 60 bis 70 Stundenkilometern Schluss“, sagt Zinnow. Das war bislang nur einmal so. Auch weil es dann für den Kranfahrer mehr als ungemütlich wird – selbst wenn dieser in seiner Kabine windgeschützt ist. 

Zehn-Stunden-Schichten

Das Führerhäuschen, Refugium und Kommandozentrale der Kranfahrer. Gemütlichkeit auf 1,5 mal 1,5 Metern. Viele Hebel, noch mehr Knöpfe. Ausgestattet mit Heizung für kalte Tage, Halterungen für Snacks und weichem Sitz. Dies ist mehr als nötig: Zehn-Stunden-Schichten, fünf Mal die Woche. Täglich gibt es zwei halbstündige Pausen. 

Wer selbst einmal dort sitzen will, braucht einen Kranführerschein. Laut Zinnow ist dieser in vier bis sechs Wochen absolvierbar. Mit diesem lassen sich auch die Metall-Monster beim City-Gate beherrschen. Bis Mitte Ende Mai stehen sie noch. Dann, wenn der Rohbau fertig ist, baut der Große die beiden Kleineren ab. 

Um den 48-Meter-Hünen kümmert sich dann ein mobiler Kran. Solange werden die drei aber noch ihre Tänze aufführen und Bremens zukünftigen Vorzeigebau am Hauptbahnhof vorantreiben.

Fotogalerie: Das Metall-Monster bezwingen

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Und das Ganze in Bewegtbild: 

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