Schon mit 18 Jahren trat Andrea Nahles in die SPD ein, seit April dieses Jahres ist sie Parteichefin. Außerdem leitet die 47-Jährige die SPD-Fraktion im Bundestag. Foto: Schlie
Interview

Andrea Nahles: „Das kommt bei Bremern an“

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SPD-Vorsitzende Andrea Nahles erklärt im Interview, wie sie ihrer Partei in Bremen helfen will und welche Themen es in der Hansestadt anzupacken gilt. Über Vermieter, Arbeitslose, Kitas und die Europäische Union.

Weser Report: Frau Nahles, ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl steckt auch die Bremer SPD in den Umfragen im Keller. Wie wollen sie ihr helfen?

Andrea Nahles: Wir wollen uns selbstbewusst aufstellen und in die Offensive kommen. Das passiert nicht von heute auf morgen. Entscheidend ist, dass wir an die Themen herangehen müssen, die den Bürgern auf den Nägeln brennen.

Was sind die drängendsten Themen?

Ich denke, es sind drei Themen, die auch hier in Bremen eine große Rolle spielen. Das ist einmal die Frage nach bezahlbarem Wohnraum. Wir haben eine Wohnrauminitiative gestartet und eine Stärkung des Mieterschutzes durchgesetzt. Wir wollen verhindern, dass Leute durch spekulatives Herausmodernisieren aus ihrer Heimat, ihren Quartieren, vertrieben werden. Deshalb werden gezieltes Herausmodernisierungen erstmals als Ordnungswidrigkeit geahndet, da drohen empfindliche Geldbußen. Gleichzeitig schaffen wir einen steuerlichen Anreiz für den Bau von Mietwohnungen, indem wir eine Sonderabschreibung ermöglichen. Und für den sozialen Wohnungsbau legen wir zu den bisher vereinbarten Milliarden noch mal zwei Milliarden Euro drauf. So wollen wir den Druck aus dem Wohnungsmarkt herausnehmen. Die Entlastung wird auch bei den Bremern ankommen.

Welche Themen packen Sie noch an?

Da ist das Gute-Kita-Gesetz, das auch den Bremern die Möglichkeit gibt, die Qualität der Kitas zu verbessern. Der Bund gibt finanzielle Unterstützung und den Rahmen vor, aber die Länder können eigene Schwerpunkte setzen, wofür sie die insgesamt 3,5 Milliarden Euro einsetzen. Auch in den Schulen wollen wir mit der Änderung des Grundgesetzes direkt Geld des Bundes in die Bildung investieren, denn da wächst doch die Zukunft unseres Landes. Der dritte wichtige Bereich ist der soziale Arbeitsmarkt, den ich in den Koalitionsverhandlungen in Berlin gemeinsam mit Carsten Sieling ausgehandelt habe.

Was bringt der soziale Arbeitsmarkt?

In den letzten Jahren haben wir für Langzeitarbeitslose immer nur Maßnahme an Maßnahme gereiht. Das schafft aber keine Perspektive. Jetzt kommt was ganz Neues. Wir bieten echte Arbeit an mit einem Arbeitsvertrag für mindestens fünf Jahre. Der Bund setzt für das Paket vier Milliarden Euro ein. Und Mittel, die derzeit für passive Leistungen im Transfer ausgegeben werden, können nun genutzt werden für aktive Arbeit.

Staatlich finanzierte Arbeit konkurriert dann mit der Privatwirtschaft um lukrative Aufträge?

Die regionalen Beiräte in den Arbeitsagenturen entscheiden, ob und in welchem Bereich öffentlich geförderte Arbeit organisiert werden kann. In diesen Beiräten sitzen auch Vertreter der Innungen und der betroffenen Unternehmen.

Die drei Punkte reichen, um die SPD zu erneuern und attraktiver zu machen?

Nein, da kommt natürlich noch viel mehr, aber wir müssen ja irgendwo anfangen. Ich bin jetzt seit einem Monat Parteivorsitzende, ich habe eine Menge unvollendeter Baustellen vorgefunden. Ich kann alle Steinbrüche bestaunen, oder ich packe jetzt an. Und als Tochter eines Maurermeisters fange ich an, das Haus zu bauen, Stein auf Stein.

Die Bundesregierung muss auch die Grundsteuer neu gestalten. Bisher gibt es in der SPD unterschiedliche Vorstellungen über eine Reform.

Das diskutieren wir. Bis Ende des Jahres werden wir einen guten Vorschlag machen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz wurde auch aus den Reihen seiner eigenen Partei, der SPD, aufgefordert, mehr Geld auszugeben für mehr staatliche Leistungen.

Wir investieren in dieser Wahlperiode 23 Prozent mehr als in der letzten – und das ohne neue Schulden. Das ist echte sozialdemokratische Handschrift. Keine zusätzlichen Schulden machen, wenn die Steuereinnahmen so fließen wie jetzt, das halte ich für eine Frage der Vernunft. Ich bin da ganz klassische Schule: Antizyklisch reagieren. Wenn die Wirtschaftskraft nachlässt, kann man über Schulden nachdenken, um die Konjunktur anzukurbeln. Aber wenn es so gut läuft wie jetzt, warum soll ich dann zusätzliche Schulden machen? Die Debatte fand ich ziemlich kurz gesprungen.

Zeitgleich mit der Bürgerschaftswahl wird im Mai nächsten Jahres auch das Europa-Parlament neu gewählt. Wen stellt die SPD denn dort als Spitzenkandidaten auf?

Wir werden demnächst darüber beraten. Ich setze darauf, dass wir uns auch dort gut aufstellen werden.

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