Weser Report: Die Erdogan-Affäre belastet die Stimmung im deutschen Lager weiterhin. Was kann der DFB aus Ihrer Sicht tun, um das Thema loszuwerden?
Frank Lenk: Es gilt, unbedingt ins Handeln zu kommen. Es ist ganz wichtig, dass sich Mesut Özil zu der Themenstellung äußert um Klarheit in seine Haltung zu bringen. Sein Schweigen kommt negativ an. Man kann ihm nur raten, nach vorne zu gehen und ein klares Bekenntnis zu Deutschland und zur Nationalmannschaft abzugeben.
Nun hat sich Teammanager Oliver Bierhoff gerade erst in der Richtung geäußert, dass er nicht davon ausgeht, das Özil sein Schweigen brechen wird. Was kann man tun, wenn der einfach nicht will?
Ich kann nicht verstehen, wieso der DFB in Person von Teammanager Bierhoff, Bundestrainer Löw oder Präsident Grindel nicht in der Lage sind jemanden wie Özil davon zu überzeugen, dass es für das Gesamtprojekt WM und für ihn persönlich einfach wichtig ist, sich in dieser aufgeheizten Situation zu äußern. Es gibt Gründe genug, um ihn zu überzeugen. Notfalls muss man ihn wieder nach Hause schicken. Die Diskussion schränkt ihn in seinem Leistungsvermögen ein, weil er abgelenkt ist, und es trägt sich rein in die Mannschaft. Das ist schädlich für das Projekt WM.
Kann der DFB das Thema aussitzen? Ab Sonntagabend gibt es vermutlich genug andere Themen.
Man kann das aussitzen, aber damit geht man ein hohes Risiko ein. Da müssen ein paar Faktoren zusammen kommen. Wenn die Mannschaft Erfolg hat und Özil gleich zwei Tore schießt, kann das klappen. Wenn der Erfolg aber nicht da ist, wird genau dieses Thema wieder hochkommen. Wenn man sicher gehen will, braucht man eine Klärung. Die hat bislang nicht stattgefunden.
Was müsste Özil den sagen, damit die Kritik verstummt?
Was spricht dagegen, dass er sagt, dass er sich mit dem Land, für das er spielt, auch identifiziert und dessen Werte hochhält? Ich sehe in so einem klaren Statement nur Vorteile. Dann hat er Ruhe. Was er bisher macht finde ich unerklärlich.
Waren aus Ihrer Sicht die Aussagen von Ilkay Gündogan ausreichend?
Wie Gündogan sich erklärt hat, das muss man akzeptieren. Er ist offensiv, er versucht die Dinge zu klären, er hat eine Einschätzung für die Situation. Mich wundert, dass der DFB das nicht flankiert. Gündogan hat für sich entschieden, dass er etwas sagt, Özil hat für sich entschieden, dass er nichts sagt. Auf mich wirkt der DFB hilflos und als ob er die Situation nicht ernst genug nimmt. In jeder Firma würde man auf Dinge, die zur Störung des Betriebsklimas führen, Einfluss nehmen.
Sie waren auch mal Fußballtrainer. Würden Sie die Situation als Trainer anders beurteilen?
Nein, ich würde es nicht anders beurteilen, ich würde anders damit umgehen. So wie Löw es auch gemacht hat, als er versucht hat Verständnis für die Situation der Spieler aufzubauen. Das funktioniert aber nur mithilfe der Spieler. Was passiert denn, wenn Özil gegen Mexico in der Startelf steht und vor dem Spiel das macht, was er immer macht? Özil wird nicht die Nationalhymne singen. Aber die Menschen werden es dieses mal als Provokation empfinden. Mich wundert, dass man diesen Schwelbrand einfach so brennen lässt. Wir haben es mit einer Krise zu tun, die noch Potenzial hat zu explodieren. Wenn ich Özils Berater wäre, würde ich ihm raten, die Hymne lauter zu singen als alle Anderen.