Weser Report: Herr Brackmann, wie hilft die Bundesregierung den Binnenschiffern, die wegen der niedrigen Wasserstände seit Monaten nicht voll beladen fahren können?
Norbert Brackmann: Die Situation ist für die Binnenschiffer derzeit schwierig. Ich stehe mit dem Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt in Kontakt. Dabei geht es aber nicht um eine Förderung, sondern vor allem darum, wie sich die Binnenschiffer künftig ausrichten müssen, wenn solche Ereignisse wie die lang anhaltende Trockenzeit in diesem Sommer häufiger zu erwarten sind. Möglicherweise müssen die Schiffe flacher und dafür breiter werden. Das hat Auswirkungen auf die Infrastruktur, erfordert aber auch ein erhebliches Investment der Wirtschaft.
Gibt es da keine Probleme mit den Kanälen, deren Größe sich ja nach den bisherigen Schiffen richtet?
Das sind genau die Fragen, die der Bundesverband der Binnenschifffahrt jetzt erstmals adressiert hat. Hinzu kommt, dass die Trockenfrachter im Durchschnitt 62 Jahre alt sind. Deshalb steht die Branche ohnehin vor großen Veränderungen. Und dazu gehört auch, dass die Digitalisierung auch vor den Binnenschifffahrt nicht Halt macht. Wir werden sicherlich in den nächsten Jahren Entwicklungen sehen wie autonom fahrende Binnenschiffe, zumindest im Test und möglicherweise auch auf deutschen Flüssen und Kanälen.
Wo sind Teststrecken schon geplant?
Im Hamburger Hafen ist ein digitales Testfeld geplant. Dort können außer Seeschiffen auch Binnenschiffe fahren. Die stehen dort zwar nicht besonders im Fokus, bieten aber deutlich bessere Voraussetzungen für autonomes Fahren, denn im Gegensatz zu den Meeren sind die Flüsse und Kanäle ja begrenzt. Das macht den Einsatz von Sensorik einfacher.
Wann fahren die ersten Schiffe autonom?
Erst vor wenigen Wochen hat eine italienische Werft den Auftrag erhalten, ein Seeschiff zu bauen, das autonom fahren kann. Von 2022 an soll es völlig autonom drei Häfen in Norwegen anlaufen. Dort werden wir Erfahrungen sammeln, was solch ein Schiff in der Seefahrt leisten kann.
Wie kommen die zuletzt arg gebeutelten deutschen Schiffbauer da ins Geschäft?
Überall dort, wo Hightech gebraucht wird, entwickelt sich ein Markt gerade für deutsche Schiffbauer und deren Zulieferer.
Bremen und Hamburg sind gegenüber ihren Hauptkonkurrenten Rotterdam und Antwerpen zurückgefallen. Warum?
Wir haben in Deutschland zwei große Probleme: Das sind die Zufahrten zu unseren Seehäfen in Hamburg und Bremen. Die Vertiefung der Unterelbe kann erst jetzt rechtssicher durchgeführt werden. Die Baggerarbeiten werden bestimmt noch zwei, drei Jahre dauern.
Und wie sieht es für die Weser aus?
Für die Vertiefung der Weser haben wir das Verfahren so geändert, dass wir hoffen, vor Gericht zumindest für die Außenweser schnell ein rechtskräftiges Urteil zu bekommen. Und dann hoffentlich bald auch für die Vertiefung der Mittelweser. Ein Gerichtstermin gibt es noch nicht.
Warum können die großen Schiffe nicht nach Wilhelmshaven fahren, wo ja eigens für sie ein Tiefwasserhafen gebaut wurde?
Wir haben keinen staatlichen Dirigismus. Das entscheidet der Markt. Und der nimmt Wilhelmshaven immer besser an. Allerdings bekommen wir immer zu hören, dort fehlten ausreichend Anbindungen ans Hinterland. Aber der Druck aus dem Markt ist nicht da, um die Anbindung ans Hinterland weiter zu verbessern. Allerdings gibt es ja eine Schienenanbindung. Deshalb muss es andere Gründe geben, die gegen Wilhelmshaven ins Feld geführt werden.
Welche könnten das denn sein?
Ich weiß es nicht. Aber wenn sich Weltwirtschaft und Warenströme so weiter entwickeln wie bisher, brauchen wir in Deutschland mehr Hafenkapazitäten. Wir können auch nicht davon ausgehen, dass wir auf absehbare Zeit Elbe und Weser weiter vertiefen und ausbauen können. Damit hat auch Wilhelmshaven eine Perspektive. Da schlummern noch Reserven.