Renke Brahms ist der oberste Theologe der evangelischen Kirche in Bremen und quasi der Landesbischof. Foto: Schlie
Interview

Renke Brahms: „Die Gesellschaft zerfasert“

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Er wird auch der "Bischof von Bremen" genannt: Bremens Chef-Pastor Renke Brahms sprach im WESER REPORT-Interview über den Reformationstag, Freizeitparks, Kitas - und wie viele Bremer noch sonntags in die Kirche gehen.

Weser Report: Herr Brahms, von diesem Jahr an ist der Reformationstag am 31. Oktober in Bremen ein regelmäßiger Feiertag. Warum braucht Bremen einen weiteren christlichen Feiertag, obwohl die meisten Bremer gar keine Christen sind?

Renke Brahms: Wir freuen uns, dass sich die norddeutschen Landesparlamente im breiten politischen Konsens entschieden haben, den Reformationstag zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Aber wir haben immer gesagt, dass wir als Kirche zeigen wollen, was dieser Feiertag theologisch und damit auch aktuell für unsere Gesellschaft bedeutet. Das ist uns im vergangenen Jahr gelungen. Die Kirchen waren voll, auch in der Stadt war viel los. Auch in diesem Jahr wollen wir am Reformationstag ein Programm anbieten, das Besucher anlockt.

Im vergangenen Jahr beteilig­ten sich viele Menschen an Veranstaltungen zum Reformationstag, weil die evangelische Kirche ein großes Jubiläum feierte: 500 Jahren Reformation. Aber in diesem Jahr?

Die Impulse der Reformation prägen unsere Welt bis heute, nicht nur die Kirche. Die Reformation hat die Bildung beeinflusst, die Übernahme politischer Verantwortung und den Freiheitsgedanken weiterentwickelt, die Freiheit des Gewissens. Weil wir vom Freiheitsbegriff ausgehen, stellen wir in diesem Jahr unser Programm unter das Motto Frei:Zeit, um zu zeigen: Es ist gut für eine Gesellschaft, gemeinsam freie Zeit zu verbringen und zu gestalten.

Viele Menschen werden das wörtlich nehmen und Freizeitparks besuchen statt kirchliche Veranstaltungen.

Ja, und trotzdem hat auch das seinen Wert. Es hat einen Sinn, wenn an einem Tag mal die Mobiltelefone schweigen, die beruflichen Mails nicht gelesen und keine Termine vereinbart werden. Denn wir leben in einer Zeit, in der die Gesellschaft immer mehr zerfasert. Da ist es auch ein Wert, wenn eine Familie gemeinsam in einen Freizeitpark geht.

Wie viele Besucher kommen noch zu den sonntäglichen Gottesdiensten?

Im Jahresdurchschnitt sind das bremenweit jeden Sonntag rund 5.500 Menschen, an den Feiertagen natürlich deutlich mehr.

Rund 5.500 von 190.000 Mitgliedern: Welche Rolle spielt da die evangelische Kirche in Bremen noch?

Mit rund 190.000 Mitgliedern sind wir die größte Einzelorganisation, die in vielfältiger Weise spirituelle, soziale und kulturelle Beiträge für das Zusammenleben in unserer Stadt leistet. Unsere Gemeinden sind in allen Ortsteilen präsent. Mit der Diakonie leisten wir soziale Arbeit, engagieren uns bei der Armutsbekämpfung. Unsere Beratungsstellen stehen allen Menschen, unabhängig von Konfession oder Religion, offen. Und fast jede der 61 Gemeinden hat einen Kindergarten. Wir haben 4.700 Kita- und Krippenplätze und sind der größte freie Träger.

Von der Stadt mitfinanziert?

Ja, wobei wir zehn Prozent der Gesamtkosten aus Mitteln der Kirchensteuer bereitstellen und die Baukosten fast alleine tragen.

Werden evangelische Kinder bevorzugt aufgenommen?

Nein, wir gehen nach sozialen Gesichtspunkten vor, unsere Kitas stehen grundsätzlich allen Kindern offen.

Müssen die Mitarbeiter dort evangelisch sein?

Sie sind Mitglied einer christlichen Kirche, diese Identifikation ist uns bei allen Mitarbeitenden wichtig, weil alle gemeinsam zur Erfüllung des kirchlichen Auftrags beitragen. Wenn es inhaltlich begründet ist, sind Ausnahmen von dem Grundsatz möglich.

Wie entwickeln sich die Mitgliederzahlen?

Da liegen wir im Bundestrend. 2017 sind 339 Menschen in die Bremische Evangelische Kirche eingetreten, 2.624 Menschen sind ausgetreten und 3.637 verstorben. Insgesamt haben wir derzeit 191.312 Mitglieder.

Die Kirche muss sparen und will 30 Prozent der Gebäude aufgeben. Wie weit sind Sie?

Schon seit langem fusionieren Gemeinden oder kooperieren enger als früher. Dieser Prozess geht weiter, aber wichtig ist: Wir bleiben als Kirche bremenweit präsent. Doch wir müssen unseren Gebäudebestand an unsere Mitgliederentwicklung und damit an die finanziellen Möglichkeiten anpassen. In die verbleibenden Gebäude investieren wir kräftig, damit sie modernen Nutzungsanforderungen und unseren Klimaschutzzielen genügen. Unter dem Strich ist das günstiger, als alle Gebäude zu behalten. Vor allem aber wollen wir in Menschen investieren und nicht in Steine.

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Eine Antwort

  1. Findorffer sagt:

    Die Gesellschaft zerfasert, denn es wird bunter.

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