Es ist der große Moment in seinem Abschiedsspiel. Für ihn kommt sein Vater Stefan auf den Platz. Doch das Spiel ist vorbei, Mertesacker längst auf seiner emotionalen Ehrenrunde. Ein ganz Großer des deutschen Fußballs beendet mit 34 Jahren endgültig seine Karriere – und das mit einer wirklich denkwürdigen Veranstaltung, bei der „Mertes 96-Freunde“ gegen „Pers Weltauswahl“ mit 9:10 verloren. Aber das war wirklich nur Nebensache. Heulend bedankte sich Mertesacker per Mikro bei allen, die gekommen waren: „Ich hatte es mir nicht erträumen lassen, dass ich hier noch mal vor so einer Kulisse spielen darf.“
Wie beim Klassentreffen
Schon am Morgen hatte „Mertes Homecoming“ begonnen – im Maritim-Hotel am Flughafen in Hannover. Mertesacker empfing seine Gäste persönlich in der Bar, gefeiert wurde dort aber erst später. Schließlich sollte ja noch Fußball gespielt werden. Also gab es standesgemäß Nudeln, Wasser und Kaffee, um bestens vorbereitet zu sein. Es wurde viel geklönt – wie bei einem Klassentreffen.
Mit dabei auch die aktuellen Werder-Profis Claudio Pizarro, Max Kruse und Martin Harnik, der aber verletzungsbedingt am Nachmittag nur zuschaute. Auch zahlreiche Ex-Bremer waren da wie Jurica Vranjes. „Per ist ein sehr guter Freund. Er hat sich immer gemeldet, den Kontakt nie abbrechen lassen. Das ist überhaupt nicht selbstverständlich im Profi-Fußball“, schwärmte der Kroate.
Leiter von Arsenals Nachwuchsakademie
Auch Mertesacker einstiger 96-Coach Peter Neururer war voll des Lobes: „Per ist als Spieler herausragend, als Mensch ist er noch herausragender.“ Und dann war da natürlich auch noch Arsene Wenger. Über die Zusage des ehemaligen Trainers des FC Arsenal hatte sich Mertesacker ganz besonders gefreut. „Per hat wirklich 100 Prozent seines Potenzials ausgeschöpft“, sagte Wenger und erklärte: „In meinem Job siehst du nicht viele, die das geschafft haben. Außerdem musst du im Sport auch Werte vermitteln. Das ist mir ganz wichtig, das kann Per. Deswegen habe ich auch vorgeschlagen, dass er Leiter der Nachwuchsakademie bei Arsenal wird.“
Höchste Auszeichnung des Landes
So ist es inzwischen auch. Deutschland und Niedersachsen müssen also auf die dauerhafte Rückkehr von Mertesacker noch etwas warten. Wie beliebt er hier noch ist, zeigte nicht nur die großartige Kulisse von fast 41.000 Zuschauern in der HDI-Arena, sondern auch eine besondere Auszeichnung. Der Weltmeister von 2014 bekam von Ministerpräsident Stephan Weil die Niedersächsische Sportmedaille, die höchste Auszeichnung für einen Sportler im Land.
Weil machte dann auch den Anstoß und eröffnete ein wahres Tor-Spektakel. Schon nach sechs Minuten brachte Ivan Klasnic die Weltauswahl in Führung – nach Vorarbeit von Daniel Jensen. Arne Friedrich erhöhte auf 2:0 (8.). Sollten „Mertes 96-Freunde“ etwa untergehen? Mitnichten. Silvio Schröter (12.) und Mike Hanke (27.) glichen aus. Es folgte der große Auftritt von Tim Wiese. Der Keeper trug natürlich ein rosafarbenes Trikot und durfte in der 31. Minute das 3:2 per Foulelfmeter besorgen. Die Zuschauer fanden es lustig, hatten ihren Spaß. Thomas Brdaric (35.), Jan Schlaudraff (41.) und Hanke (44.) trafen bis zur Pause noch für 96, Thomas Hitzlsperger (37.) und Max Kruse (45.) sorgten dafür, dass es ausgeglichen blieb – 5:5.
Fast ein Eigentor von „Hi-Per, Hi-Per“
Und was machte Per Mertesacker? Der stürmte mit seinen 96-Freunden zunächst mutig nach vorne, hätte fast getroffen, hielt sich dann aber etwas zurück. Beinahe wäre ihm sogar ein Eigentor unterlaufen. Aber das war längst vergessen, als Scooter in der Halbzeit nicht nur mit „Hi-Per, Hi-Per“ den Mittelkreis quasi explodieren ließen. Dort ist Pyro ja erlaubt. Das war wahrlich kein Auftritt für lärmempfindliche Menschen. Der nächste Kracher folgte umgehend: Werders Stadionsprecher Christian Stoll verkündete kurz vor Wiederanpfiff, dass der Nachmittag 300 000 Euro für die Per-Mertesacker-Stiftung einbringen wird.
Bremer lassen Weltauswahl jubeln
Mertesacker wechselte nun in die Weltauswahl, wo er mit Werder-Sportchef Frank Baumann und Co-Trainer Tim Borowski auflief – im zentralen Mittelfeld wohlgemerkt. Dort besorgte der gelernte Innenverteidiger sofort den Führungstreffer und bedankte sich völlig zurecht bei Keeper Ron-Robert Zieler, der mal wieder nicht aufgepasst hatte, diesmal aber absichtlich.
Der Torwart aus Stuttgart musste nach einer Stunde erneut hinter sich greifen, diesmal hatte Klasnic volley abgezogen. Auf der anderen Seite stupste Hanke den Ball mit dem Kopf zum 6:7 über die Torlinie (61.). Doch die Bremer ließen die Weltauswahl schnell wieder jubeln: Klasnic auf Borowski, der weiter zu Kruse – 8:6 (67.).
Moderator Elton und Legende Pizarro treffen
Danach ging der spielfreudige Werder-Kapitän dann tatsächlich vom Platz und machte keinem Geringeren als Moderator Elton Platz, der nicht nur gewichtig war, sondern auch wichtig wurde. Nachdem Denis Wolf (71.) und erneut Hanke (73.) das 8:8 geschafft hatten, gelang ausgerechnet Elton das 9:8 für die Weltauswahl. (75.). Aber diese feine Vorlage von Claudio Pizarro konnte er auch nicht vorbeischießen. Und nach dem zwischenzeitlichen 9:9 durch Babacar N’Diaye, langte die spielende Legende dann selbst zu, Pizarro traf per Kopf zum 10:9 (84.). Dann stand nur noch Mertesacker im Mittelpunkt: Erst die Auswechslung, dann die Ehrenrunde und danach auch noch die berühmte Eistonne, in die er steigen musste. Mertesacker bedankte sich bei allen Spielern, bei seiner Familie, bei seinem Heimatort Pattensen, bei seinen Clubs Hannover, Werder, Arsenal und ganz besonders bei Arsene Wenger: „Es ist mir eine große Ehre, dass du da bist.“ Kurioses zum Schluss: Tim Wiese bekam noch den Fairness-Pokal, warum auch immer…
Aufstellungen
Mertes 96-Freunde: Zieler, Sievers, Linke, Dabrowski, Cherundolo, Lala, Harnik, Hanke, Addo, N’Diaye, Asamoah, Schlaudraff, Brdaric, Balitsch, Tarnat, Schulz, Füllkrug, Konstantinidis, Schröter, Ernst, Wolf, Pocher.
Pers Weltauswahl: Wiese, Lehmann, Jansen, Gibbs, Naldo, Friedrich, Baumann, Vranjes, Fritz, Kruse, Owomoyela, Hunt, Klasnic, F. Kroos, Jensen, Metzelder, Frings, Borowski, Pizarro, Niemeyer, , Hitzlsperger, Elton.