Er war jung, gebürtig in Walle, aufgewachsen in Gröpelingen. Er suchte Orientierung: Bernhard Carl Trautmannn. Als 17-Jähriger war er überzeugter Nazi, meldete sich freiwillig zur Wehrmacht, kämpfte an der Ost- und Westfront, wurde mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet – und geriet in englische Kriegsgefangenschaft.
Heute erinnert der Bert-Trautmann-Platz an den 2013 verstorbenen Bremer, im Kino ist Trautmanns Leben als Integrationsknüller über Schuldtraumta, Scham und Völkerverständigung angekündigt, und am kommenden Dienstag wird im Verein seiner Kindheit, dem einstigen V. S. K. Gröpelingen und heutigen Tura Bremen, eine Ausstellung über die 1931 gestartete Karriere eröffnet.
Karriere wie ein Drehbuch
Kein Drehbuch hätte seine Karriere besser beschreiben können: In Bremen spielt Trautmann noch als robuster Kicker im linken Mittelfeld oder als bulliger Mittelstürmer, beim Fußballspielen mit den Häftlingskollegen muss er als Torwart aushelfen. Jack Friar, Trainer des nahen Provinzclubs St. Helens Town, entdeckt und engagiert ihn. Bald klopfen Arsenal, Tottenham, Everton und Manchester City an, die Trautmann 1949 verpflichten, sie nennen ihn Bert.
Großer Aufruhr. Juden fordern Boykott des Teams, Fans gehen auf die Straße, um gegen den „Nazi-Torwart“ zu protestieren, viele geben ihre Dauerkarten zurück. Da veröffentlicht Manchesters Gemeinderabbiner einen offenen Brief, in dem er Fairness einfordert, da einem Einzelnen nicht eine kollektive Schuld aufgeladen werden könne, sondern immer gesehen werden müsse, was das für ein Mensch sei. und wenn es sich um einen „anständigen Kerl“ handle, sei gegen die Verpflichtung nichts einzuwenden.
Mit Genickbruch zum Sieg
Das wirkt. Die Stimmung kippt. Trautmann verkaufte den Fans erstklassige Leistungen, die zahlen mit Respekt zurück. Nach dem FA-Cup-Finale 1956 ist der Torwart endgültig vom gehassten Feind zum gefeierten Helden aufgestiegen. Vor den Augen der 100.000 Besucher im Londoner Wembley-Stadion sichert er seiner Mannschaft mit Glanzparaden den 3:1-Sieg gegen Birmingham City und spielt dabei die letzte Viertelstunde mit gebrochenem Halswirbel.
Auswechseln war damals gegen die Männerehre und daher verboten. Eine falsche Bewegung und Trautmann wäre querschnittgelähmt gewesen – oder noch auf dem Platz gestorben. Nach einem halben Jahr im Gipskorsett steht er wieder im Tor. Trautmann wird als erster und bis heute einziger Deutscher zu Englands Fußballer des Jahres gewählt. Die Queen ernennt ihn zum Honorary Officer of the Most Excellent Order of the British Empire, die Fans wählen ihn 2007 zum besten Manchester-City-Spieler aller Zeiten.
In der Heimat übersehen
Was in Trautmanns alter Heimat nicht groß interessiert. Erst nach dem Ende seiner Spielerkarriere 1964 kehrt Trautmann nach Deutschland zurück, trainiert erst Preußen Münster, dann SC Opel Rüsselsheim. Anschließend qualifiziert er sich mit der Nationalmannschaft Burmas für die Olympischen Spiele 1972 und leistet fußballerische Entwicklungshilfe in Afrika und Asien. Die letzten 20 Jahre seines Lebens verbringt er im spanischen Valencia.
Tolle Geschichte. Perfekt für die Verfilmung. Regisseur Marcus Rosenmüller („Wer früher stirbt ist länger tot“) macht daraus ein Feelgood-Movie über einen einfach nur guten Deutschen, der seine Nazivergangenheit mit „Ich hatte keine Wahl“ hinweglächelt.
Gedreht in Nordirland und Bayern
Anstatt für die Hauptfigur interessiert sich Rosenmüller für ihren Legendenstatus. Nutzt Mittel des Melodrams und bedient die Sportfilmdramaturgie, die den mühsamen Aufstieg eines Außenseiters über Rückschläge bis zum finalen Triumph vorsieht, pompös emotionalisiert und mit einer Liebesgeschichte garniert.
Aber Lokalpatrioten dürfen sich freuen: Zweimal wird Bremen in den Filmdialogen erwähnt, ein Hinterhofkick soll auch dort spielen – gedreht wurden diese wie alle in Manchester und umzu angesiedelten Szenen in Nordirland und Bayern.
Ein interessanter Artikel, allerdings mit einem Fehler: Bert Trautmann war zwar der erste, aber nicht der einzige Deutsche, der in England zum Fußballer des Jahres gewählt wurde. Diese Ehre wurde auch Jürgen Klinsmann 1995 zuteil.