Seit Juli 2015 ist Carsten Sieling Bürgermeister. Er folgte auf Jens Böhrnsen, der nach der Bürgerschaftswahl 2015 aufgab, da die SPD um 6,7 Punkte auf 32,6 Prozent abgesackt war. Foto: Schlie
Interview

Sieling: „Dann bleibt das Gelände zu“

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Am 26. Mai stehen die Bürgerschaftswahlen an - SPD-Spitzenkandidat Carsten Sieling macht im Interview seine Pläne mit der Rennbahn, Wohnungen und Kitas deutlich.

Weser Report: Herr Sieling, Sie wollen nach der Wahl mehr Kita-Plätze einrichten, Schulen renovieren, Hochschulen besser ausstatten, den Mindestlohn erhöhen – und das sind nur einige Ihrer Programmpunkte. Die SPD regiert Bremen seit 74 Jahren. Warum haben Sie diese Dinge nicht längst umgesetzt?

Carsten Sieling: Wir haben seit 2016 3000 Kitaplätze geschaffen, den Bildungsetat für 2018/2019 um 200 Millionen erhöht, und der Landesmindestlohn steigt ab 1. Juli auf über elf Euro. Darüber hinaus gilt: Wir haben in den 74 Jahren in unterschiedlichen Koalitionen regiert. Die meisten Parteien haben mit uns schon koaliert. Deshalb muss jede dieser Parteien sehr vorsichtig sein mit dem Vorwurf, es sei alles nur die Schuld oder das Versäumnis der SPD gewesen.

Den Bürgermeister hat immer die SPD gestellt.

Und das soll auch so bleiben. Natürlich tragen wir als stärkste politische Kraft immer die Verantwortung und haben in all den Jahren auf die jeweiligen Herausforderungen sehr unterschiedlich und sachgerecht reagiert. Aber Bremen ist keine Insel. Wir werden massiv von nationalen und globalen Entwicklungen beeinflusst. So ist der tief greifende Strukturwandel bis in die 1990er Jahre nicht spurlos an uns vorbeigegangen. Das ist für unser Bundesland und unsere beiden Städte noch heute eine Bürde.

Hamburg litt in dieser Zeit auch unter der Werftenkrise, steht aber heute besser da als Bremen.

Der Schiffbau ist in Hamburg nie so dominant gewesen wie in Bremen und Bremerhaven. Und Hamburg ist schon durch seine Größe breiter aufgestellt. Als Land mit 680.000 Einwohnern war Bremen immer stark von einigen wenigen dominanten Branchen abhängig. Das hat bei uns immer zu größeren Abschwüngen, aber in guten Zeiten dann auch zu größeren Aufschwüngen geführt als in anderen Ländern.

Trotz des starken Wachstums der bremischen Wirtschaft in den vergangenen Jahren sind hier relativ viele Menschen arbeitslos. Was machen Sie jetzt, da das Wirtschaftswachstum nachlässt?

Unser Arbeitsmarkt ist sehr gespalten. Wir haben eine weiter sinkende Arbeitslosigkeit und allein in der Stadt Bremen circa 6.500 offene Stellen. Die große Herausforderung sind die Langzeitarbeitslosen. Deshalb haben wir zwei Programme aufgelegt, mit denen schon heute 800 Menschen eine neue berufliche Chance bekommen. Das werden wir auf 1.500 Plätze ausbauen. Und wir konzentrieren uns auf die Jugend. Denn ich will verhindern, dass junge Menschen in die Arbeitslosigkeit rutschen, weil sie keine Abschlüsse und keine Ausbildung haben.

In Bremen kommt jedes dritte Kind aus einer Familie, die Hartz IV bezieht.

Diese Kinder leiden unter der Armut der Eltern. Deshalb bin ich dafür, dass wir jedes Kind in Deutschland über eine Kindergrundsicherung absichern, so wie wir auch beim Kindergeld jedes Kind gleich behandeln.

Muss nicht vor allem die Betreuung verbessert werden etwa dadurch, dass Bremen mehr Kita-Plätze einrichtet?

Natürlich. Darum haben wir das größte Kita-Ausbauprogramm in der Geschichte Bremens umgesetzt, und deshalb werden die Kitas für die Drei- bis Sechsjährigen ab Sommer beitragsfrei. Und Kitas, die vor besonderen Herausforderungen stehen, bekommen mehr Personal, das auch beim Gehalt höher eingestuft wird.

Ist eine Kita-Pflicht sinnvoll?

Wir setzen darauf, möglichst alle Kinder in die Kita zu bekommen, damit sie von der frühkindlichen Bildung profitieren. Deshalb schaffen wir neue Kita-Plätze in allen Stadtteilen. Eine formelle Kita-Pflicht stößt aber – anders als die Schulpflicht – auf Grenzen im Grundgesetz und es würde viele Jahre dauern, das zu ändern.

Mehr Kita-Plätze, mehr Lehrer – und dann wollen Sie auch 95 der 125 Schulen renovieren. Woher soll das Geld dafür kommen?

In den Bund-Länder-Finanzverhandlungen haben wir erreicht, dass wir von 2020 an 15 Jahre lang jährlich etwa 500 Millionen Euro mehr bekommen. Das sind ungefähr acht Prozent unseres Haushalts. Das Geld will ich vor allem auch in die Zukunft der Kinder investieren.

Inwieweit arbeiten Sie beim Ausbau von Kitas und Schulen mit privaten Investoren zusammen?

Bei den Kindergärten machen wir das ja schon. Auch die Schule für Groß- und Außenhandel bauen wir in Kooperation mit der Wirtschaft. Wir werden uns sehr genau anschauen, ob und wo solche Wege Sinn machen.

Bei Ihrem Amtsantritt 2015 gab es in der Stadt rund 7.000 Sozialwohnungen. Wie viele sind es jetzt?

Seit 2016 haben wir die Situation, dass jährlich mehr Sozialwohnungen durch Neubau fertiggestellt werden als durch auslaufende Mietbindungen entfallen. Ende 2019 werden wir rund 7.000 Sozialwohnungen in der Stadt haben. Weitere sind bereits im Bau, und wir erhöhen die Quote für den sozialen Wohnungsbau auf 30 Prozent. In mittlerweile drei Wohnraumförderprogrammen haben wir mit 160 Millionen Euro rund 1.800 neue Sozialwohnungen auf den Weg gebracht. Zusätzlich entstehen viele neue Wohnheimplätze für Studierende, die den Wohnungsmarkt gerade im preisgünstigen Segment entlasten. Und: Viele Wohnungen, die jetzt aus der Mietbindung herausfallen, gehören Gewoba und Brebau. Beide Unternehmen sind mittlerweile im öffentlichen Eigentum und werden die Mieten so beibehalten, wie sie es mit Bindung getan haben.

Was passiert, wenn die Mehrheit der Bremer beim Volksentscheid gegen die Bebauung der ehemaligen Rennbahn stimmt?

Dann bleibt das Gelände für die Menschen und den Stadtteil verschlossen. Dann gibt es keine Möglichkeit, dort zu bauen, dann entstehen dort keine neuen Grün- und Freizeitflächen für die Bürgerinnen und Bürger. Wir brauchen mehr bezahlbare Wohnungen in Bremen, auch damit die Mieten nicht weiter steigen.

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