Eine geballte Ladung Kunstwerke kann erschlagend wirken. Reduziert man den Input auf ein Mindestmaß, ist die Wirkung gleichermaßen befreiend und faszinierend. Der beste Beweis dafür ist die gestern eröffnete Ausstellung „Ikonen. Was wir Menschen anbeten“ in der Kunsthalle.
Damit wir uns richtig verstehen: Es ist gut und wichtig, dass das Bremer Museum den Großteil seiner Sammlung möglichst umfassend der Öffentlichkeit präsentiert.
Platz schaffen für die Ikonen
Für die aktuelle Ausstellung sind die Räume jedoch komplett leergeräumt und nur noch mit lediglich einem Exponat ausgestattet – eine logistische Großaktion, die laut Direktor Christoph Grunenberg nicht nur einmalig in der Geschichte der Kunsthalle ist, sondern sogar weltweit.
130 der Meisterwerke aus der Bremer Sammlung sind in der nächsten Zeit im Guggenheim Museum in Bilbao ausgestellt, der Rest im Keller eingemottet.
Der Begriff Ikone früher und heute
Das Ergebnis in Bremen jedenfalls ist ein Erlebnis für sich: eine Wohltat für Auge und Geist, und eine großartige Gelegenheit, sich intensiver mit den Objekten auseinanderzusetzen. Die Ausstellung geht anhand von Kunstwerken aus neun Jahrhunderten der Frage nach, wie sich auch heute noch mit dem Begriff der Ikone kultische Verehrung und die Idee des Übersinnlichen verbinden.
Ursprünglich ist die Ikone ein religiöses Andachtsbild, in dem nach kirchlicher Auffassung Gott unmittelbar gegenwärtig ist.
Heute hat sich der Begriff weitgehend von den Heiligenbildern gelöst und wird inflationär in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. So scheint es, als könne jetzt fast alles und jeder ikonische Bedeutung erlangen: Von Schauspielern und Popstars über Eventarchitektur und Kunstwerken bis hin zu Marken und Produkten – auch Youtuber, der SV Werder oder Lady Gaga finden in der Kunsthalle ihren Platz.
Skandale und Eklats
Die künstlerische Herangehensweise an das Heilige gipfelt schließlich in einer teilweise skandalösen Auseinandersetzung: So funktionierte Marcel Duchamp 1917 ein gewöhnliches Pissoir zum Kunstwerk um. „Fountain“ wurde allein dadurch zur künstlerischen Arbeit, dass der Künstler das Urinal im Kontext einer Ausstellung in der Horizontalen präsentierte, signierte und mit einem Titel ausstattete.
Duchamp stellte den Kunstbegriff damit radikal in Frage und löste einen Eklat aus. Heute zählt „Fountain“ zu den bedeutendsten Werken der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Wie das Werk „Piss Christ“ von Andres Serrano, der in seinem eigenen Urin ein Kruzifix aus Plastik versenkte, es fotografierte und das Bild mit Arcylfarbe übermalte – eine Provokation für viele Gläubige, die nicht nur die Kunstwelt polarisierte, sondern auch massive, handfeste Proteste von Christen auslöste.
Die Mischung der Ikonen macht’s
James Bond, mittelalterliche Reliquien, der Balloon Dog, die Mona Lisa oder eine knallgelbe Plastik-Madonna – sie alle stehen für das, was Menschen anbeten. Auf drei Etagen dienen 60 Räume unterschiedlicher Couleur nur einem Ziel: die ultimativen Idole verschiedener Epochen zu zeigen, mit ihnen zu spielen oder sie zu hinterfragen.
Übrigens, trotz des vielleicht sperrigen Titels ein Thema, das sicherlich viele bewegt.
Die Ausstellung „Ikonen“ ist ab sofort bis zum 1. März kommenden Jahres zu erleben. Mehr Informationen unter kunsthalle-bremen.de