Heike Klatte hat den elterlichen Hof in Borgfeld übernommen und zu einer modernen Milchmanufaktur ausgebaut. Heike Klatte hat den elterlichen Hof in Borgfeld übernommen und zu einer modernen Milchmanufaktur ausgebaut.
Hausbesuch

Hofbesuch: Kraftvoll Neues wagen

Von
Schuhe aus, Puschen an. Wer Heike Klatte besuchen will, muss strenge Vorschriften beachten.

Die Landwirtin steht in ihrer kleinen Molkerei in Borgfeld und produziert Käse. Hier müssen Besucher jetzt die Hygienevorschriften peinlich genau einhalten. „Erst pasteurisiere ich die Milch 15 Sekunden bei 72 Grad“, erläutert die 39-Jährige. Vom Pasteur komme die Milch in den Käsekessel. Nach einer Stunde fügt sie Kälbermagenlab dazu. „Das legt die Milch dick“, sagt Klatte.

Nach 45 Minuten könne der Käse schon mit einer Käseharfe geschnitten werden. Die Größe der Körner entscheide über die Art des Käses, fährt sie fort. Sie rührt den Käsebruch, entzieht ihm dabei die Molke und wäscht den Bruch, bis sie ihn schließlich in Formen abfüllt. Der Käse muss nun abgelagert und immer wieder gewendet und geschmiert werden. Ein kompliziertes Verfahren.

Geschmacks-Experimente

Heike Klatte hat es gelernt, hat Käseseminare besucht. „Erst haben wir unsere Milch in eine mobile Käserei gegeben“, das habe sich auf Dauer aber nicht rentiert, erzählt sie. Deshalb produziert sie ihren Käse jetzt selbst. Der Vorteil: Sie kann auch die Geschmacksrichtung bestimmen und auch ein bisschen experimentieren. „In diesen Käse habe ich zum Beispiel Bockshornklee getan, das schmeckt besonders gut“, sagt die Landwirtin.

Nach der Schule ließ sich Heike Klatte zur Speditionskaufrau ausbilden, war auf Tankschiffen unterwegs. Jetzt produziert sie Käse.

Nach der Schule ließ sich Heike Klatte zur Speditionskaufrau ausbilden, war auf Tankschiffen unterwegs. Jetzt produziert sie Käse.

Demnächst will sie auch Camembert produzieren. Inzwischen hat sich Klatte eine Klimaanlage angeschafft, so dass auch sommerliche Hitze ihrem Käse nichts anhaben kann. Klatte sagt: „Bei mir sind konsequent 17 Grad“.

Auch Joghurt und Quark stellt Heike Klatte in ihrer kleinen Molkerei in Borgfeld her. Durch das Pasteurisieren der Milch könnten auch Schwangere und Kleinkinder mit einem schwachen Immunsystem die Produkte genießen, sagt Klatte.

Von der Speditionskauffrau zur Landwirtin

Sie ist eine Landwirtin aus Leidenschaft. Dabei hat alles ganz anders angefangen. Nach der Schule machte Heike Klatte, die mit zwei Geschwistern auf dem väterlichen Hof aufgewachsen ist, eine Lehre als Speditionskauffrau. „Ich war auf Tankschiffen unterwegs“, erinnert sich die Landwirtin. Gewohnt hat sie aber weiter auf dem elterlichen Hof in Borgfeld.

Da nach dem Ältestenrecht in der Landwirtschaft der älteste Sohn traditionell den Hof übernimmt, musste Heike Klatte zunächst zurückstecken. Doch ihr älterer Bruder wollte die Landwirtschaft nicht übernehmen.

„Ich war ohnehin immer da, kannte die Landwirtschaft“, sagt Heike Klatte. Kurzentschlossen pachtete sie 2004 den Hof von ihrem Vater. In Abendkursen holte sie die landwirtschaftliche Ausbildung nach, setzte 2012, inzwischen Mutter zweier Kinder, auch noch den Meister drauf.

Hof und Ausrichtung umstrukturiert

Schnell merkten Heike Klatte und ihr Ehemann Christian, der bei Beck‘s als Brauer arbeitet, dass der Hof in seiner herkömmlichen Form nicht zukunftsfähig ist. In Timmersloh baute Heike Klatte 2012 einen neuen Stall für ihre 75 Milchkühe und die weibliche Nachzucht.

„Ein Anbindestall mitten im städtischen Dorfkern, das ging nicht mehr“, war Klatte überzeugt. Ihre Kühe sind jetzt von April bis Oktober auf der Weide. „Das schmeckt man an der Milch“, sagt die Landwirtin.

Direktvermarktung als Zukunft bei Klatte

Die Landwirtschaft alleine reichte dem Ehepaar Klatte bald nicht mehr. „Die exponierte Lage des Hofes mitten im alten Dorfkern brachte uns auf die Idee, einen Hofladen einzurichten“, sagt Christian Klatte. Wo früher die Kühe standen, hat das Paar nach einem aufwendigen Umbau 2016 seinen Hofladen eröffnet, die Borgfelder Milchmanufaktur.

Im Hofladen bietet Heike Klatte ihre eigenen, aber auch andere Produkte aus der Region an.

Im Hofladen bietet Heike Klatte ihre eigenen, aber auch andere Produkte aus der Region an.

Heike Klatte ist davon überzeugt, dass die Direktvermarktung im Kommen ist. „Die Verbraucher wollen wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen“, sagt sie. Neben den eigenen Milchprodukten verkaufen die Klattes auch Gulasch oder Chili con Carne mit Fleisch, das ein Landschlachter aus ihren Rindern herstellt.

Auch Freilandhähnchen und Schweinefleisch befreundeter Schlachter aus der Umgebung sowie Obst und Gemüse aus der Region kann man hier kaufen. „Garantiert ohne Gentechnik“, versichert Heike Klatte.

Café, Terrasse und Automaten eingerichtet

Ein Bio-Betrieb soll der Hof dennoch nicht sein. „Bio passt nicht zum Standort“, sagt sie. Die meisten Flächen lägen im Naturschutzgebiet, da sei das Gras minderwertig. Ihr bleibe nichts anderes übrig, als mineralisch zu düngen. „Gülle darf ich nicht, Festmist nur zu bestimmten Zeiten“, sagt Klatte. Zu diesen Zeiten seien die Wiesen aber in der Regel überflutet, so dass sie die mit ihren Geräten gar nicht bewirtschaften könne. Der Qualität der Produkte tue das aber keinen Abbruch, ist die Landwirtin überzeugt.

Das Hofcafé eröffneten die Klattes erst im vergangenen Jahr. Im Sommer sind Plätze auf der Terrasse schnell belegt. Seit es kalt ist, genießen die Gäste den Kuchen im Gastraum.

Das sehen offenbar auch die Kunden ihres Hofcafés so, das sie im vergangenen Jahr eröffnet hat. Bei schönem Wetter sind die 48 Plätze vor dem Haus schnell belegt. „Wir mussten sogar schon eine zweite Terrasse bauen“, sagt Christian Klatte, der das Café verantwortlich betreibt.

Im Winter können sich die Gäste in dem im alten bäuerlichen Stil eingerichteten Innenraum die Kuchen und Torten schmecken lassen. Heike Klatte postet regelmäßig auf Facebook, welche Torten im Angebot sind. Auch die aktuelle Befüllung des Regiomaten, eines Automaten, der das Angebot des Hofladens ergänzt, gibt sie im Netz bekannt.

Alle Torten selbstgebacken

Inzwischen kommen sogar die Eier aus eigener Produktion. „Wir haben jetzt auch 80 Hühner“, berichtet Heike Klatte. Eine „bunte Truppe“ wie sie es ausdrückt. In der Tat: Die Eier sind so bunt, wie die Hühner unterschiedlich sind. Die Araucaner-Hühner legen blau-grüne Eier, die französischen Marans-Hühner legen Eier mit dunkelbraunen Sprenkeln. „Aber auch ganz normale Legehennen sind dabei“, stapelt Heike Klatte tief.

Die Kunden finden’s witzig, und die Eier schmecken. Die Qualität könne man schon an der Farbe des Biskuitteigs sichtbar machen, stellt Heike Klatte fest. Sie backt alle Torten selbst. „Nur den Käsekuchen, den macht Christian“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.

Kitas und Einzelhandel beliefern

Die Klattes beliefern mit ihren Milchprodukten inzwischen vier Kindertagesstätten in Borgfeld und Osterholz-Tenever. Außerdem sind Milch, Quark und Joghurt aus der Borgfelder Milchmanufaktur im Rewe-Markt im Mühlenviertel und auf der Hohwisch zu haben.

Christian Klatte hilft seiner Frau, ist für das Hofcafé verantwortlich.

Christian Klatte hilft seiner Frau, ist für das Hofcafé verantwortlich.

Bleibt da noch Zeit für ein Privatleben? Heike und Christian Klatte lächeln sich an: „Abends sind wir schon ganz schön k.o.“, sagen sie unisono. Was Heike Klatte aber nicht davon abhält, in der Kommunalpolitik mitzumischen.

Im Mai 2019 wurde sie mit einem Traumergebnis von 1.963 Personenstimmen in den Borgfelder Beirat gewählt. Auch da hat die Landwirtschaft nun eine Stimme.

Infos: 
Das Hofcafé der „Borgfelder Milchmanufaktur“ ist Mittwoch bis Freitag von 12 – 18 Uhr, Samstag von 10 – 18 Uhr und Sonntag von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Der Hofladen ist – bis auf sonntags –
zeitgleich geöffnet. Im Notfall öffnen die Klattes ihren Hofladen aber auf Wunsch auch am Sonntag zu den Öffnungszeiten des Cafés. Der Regiomat ist rund um die Uhr – bis auf Silvester – zugänglich. Näheres unter borgfelder-milchmanufaktur.de

Text und Fotos: Gabi Piontkowski / Fotos: Schlie

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Eine Antwort

  1. Gunnar-Eric Randt sagt:

    Die Stadtteil- und Seniorenunion Borgfeld hat ein neues Mitteilungsblatt.

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