Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, warnt davor, neue Schulden zu machen. Bei steigenden Zinsen würden sie zur großen Last werden.Foto: Schlie Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, warnt davor, neue Schulden zu machen. Bei steigenden Zinsen würden sie zur großen Last werden.Foto: Schlie
Interview

Holznagel: „Die Diskussion ist wahnsinnig“

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Reiner Holznagel spricht im Interview über neue Schulden und Steuern als Werkzeug für den Klimaschutz.

Weser Report: Die große Koalition in Berlin hat kürzlich Halbzeitbilanz gezogen. Wie fällt die Bilanz aus Sicht des Steuerzahlerbundes aus?

Reiner Holznagel: Durchwachsen. Fairerweise muss man sagen, dass die Koalition durchaus etwas auf den Weg gebracht hat. Als großes Beispiel nenne ich die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags, der ab dem übernächsten Jahr für 90 Prozent der Solizahler ganz wegfallen soll und für weitere 6,5 Prozent abgemildert wird. Dennoch bleibt Kritik, eben weil es nur eine Teilabschaffung ist! Grundsätzlich bleibt der Solidaritätszuschlag nämlich bestehen: Ärgerlich ist, dass nicht nur GmbHs, sondern auch Sparer weiter belastet werden. Dies gilt selbst dann, wenn die GmbH nur einen kleinen Gewinn macht oder der Sparer neben seinen Zinsen nur eine kleine Rente bezieht. Übrigens: Auch bei vielen anderen Themen bleibt die Koalition stecken.

Woran denken Sie?

Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung sollte aus unserer Sicht von 2,5 auf 2,0 Prozent sinken. Das würde Familienhaushalte deutlich entlasten. Hier schöpft die Koalition bestehende Potenziale nicht aus.

Was halten Sie denn von der Idee aus Reihen der SPD, neue Schulden zu machen, um Infrastrukturprojekte finanzieren zu können?

Die Diskussion ist wahnsinnig. Wir haben im Bundeshaushalt und in Sondervermögen viele Investitions-Milliarden liegen, die nicht abgerufen werden. Warum? Weil einerseits Länder und Kommunen gar nicht so viel planen können, wie Geld da ist. Andererseits gibt es nicht genug Kapazitäten, um dieses Geld überhaupt zu verbauen. Die Industrie und viele Handwerksbetriebe sind gar nicht darauf angewiesen, öffentliche Aufträge anzunehmen. Teilweise wollen sie diese auch nicht annehmen, weil die Rahmenbedingungen zu kompliziert sind. Geld ist also nicht das Problem. Mir scheint aber, dass gerade bei der SPD ein Fetisch aufgebaut wird: die Forderung nach einem Aus für die Schwarze Null – zugunsten zusätzlicher Investitionen auf Pump, die es zum Nulltarif gäbe. Je lauter man das in den Wald hineinruft, desto größer ist die Hoffnung, dass man Leute findet, die glauben, dies sei richtig.

Warum ist es nicht richtig?

Weil die Schulden weiterhin ein Problem darstellen. Nur weil die Zinsen gegen Null tendieren, bleiben die Schulden bestehen. In den Jahren 2009/2010 hat man mit vielen Schulden durchaus erfolgreich gegen die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise gekämpft. Für die Pkw-Abwrackprämie und weitere Programme hat man damals 20 Milliarden Euro aufgenommen. Diese 20 Milliarden existieren immer noch als Schulden – sie wurden in der guten Zeit, die wir gerade erlebt haben, nicht zurückgezahlt. So zeigt unsere gesamtdeutsche Schuldenuhr in Berlin einen Substanzschuldenberg von fast 2 Billionen Euro an. Die werden irgendwann zur großen Last, wenn die Zinsen wieder steigen.

Das ganz große Thema derzeit ist der Umbau der Gesellschaft im Zeichen des Klimawandels. Wie lässt sich das gerecht bewerkstelligen?

Ich bin teilweise sehr erschrocken, wie hier diskutiert wird. Zuweilen gewinne ich den Eindruck, dass Protagonisten das Steuerrecht als großes Klimaverbesserungsprogramm erkannt haben. Dabei hat Steuerrecht nicht die Lenkungsfunktion, die so mancher Klimaaktivist sich wünscht. Fest steht, dass auch die Steuer- und Finanzpolitik einen Beitrag zu einer effizienteren Klimapolitik leisten muss. Deshalb haben wir uns frühzeitig für einen CO2-Zertifikatehandel ausgesprochen. Der Zertifikatehandel muss in Deutschland eingeführt werden – das hat die große Koalition beschlossen! Er müsste aber auch in Europa und im Rest der Welt eingeführt werden, damit CO2 einen Preis bekommt und derjenige belohnt wird, der CO2 einspart.

Ist das bei einer CO2-Steuer nicht auch der Fall?

Das Problem bei einer separaten CO2-Steuer ist, dass der Umwelt unter Umständen gar nicht geholfen wird. Ein Beispiel mit Blick auf den Kabinettstisch: Die Umweltministerin hat das Ziel, dass weniger CO2 ausgestoßen wird – deshalb will sie eine sehr hohe Steuer auf CO2. Auf der anderen Seite hat der Bundesfinanzminister ein Interesse daran, dass möglichst viel CO2 ausgestoßen wird, weil das die Kasse füllt. Wenn die erhoffte Lenkungswirkung eintritt, muss man entweder die Steuer erhöhen – oder diese Gelder fehlen für andere Projekte.

Welchen Vorteil bringt Zertifikatehandel gegenüber einer CO2-Steuer?

Der Zertifikatehandel ist aus meiner Sicht die bessere Variante. Hier entscheidet sich am Markt, wie hoch CO2 bepreist wird. Der Staat kann Zertifikate ausgeben, die dann gekauft werden müssen. Er kann eine Begrenzung vornehmen, indem er einfach weniger Zertifikate ausgibt. Dann werden energieintensive Produkte teurer – und die Industrie ist durch Innovation, Einsparungen und Technik aufgefordert, die Preise niedriger zu halten. Am Ende gewinnt also der Konsument. Nochmals: Ich finde es sehr bedenklich, wenn wir in Deutschland glauben, über Politik – und konkret über Steuern – alles regeln zu können und andererseits kein Vertrauen mehr in Innovationsfreudigkeit, Technik und Fortschritt setzen. Dies ist aber das einzige, was in der Klimapolitik Erfolg haben wird, wenn wir den heutigen Wohlstand bewahren wollen.


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